Vertrieblerinnen: Wer sie sind und was sie wollen
Veröffentlicht am 16.07.2021 | Lesedauer: 6 Minuten
Qualifizierte Vertriebsmitarbeiter sind am Arbeitsmarkt sehr begehrt. Deutschlandweit wurde im Jahr 2020 allein jedes zehnte Jobangebot für eine Vertriebsposition ausgeschrieben. Es scheint also großen Bedarf in diesem Bereich zu geben, der sich nicht ohne weiteres decken lässt. Interessanterweise liegt aber der Anteil weiblicher Mitarbeiter im Vertrieb immer noch bei unter 30 Prozent. Gelänge es Unternehmen, diese Quote zu steigern, könnten sie wesentlich gelassener in die Zukunft blicken.
Der salesjob Jobreport 2021 – Studie »Frauen im Vertrieb«
Doch warum ist die Zahl der Vertrieblerinnen nach wie vor relativ gering? An dieser Stelle wird gern das eine oder andere Klischee bemüht: Wer im Vertrieb arbeitet, braucht Überzeugungskraft sowie Willensstärke und muss mit dem Leistungsdruck klar kommen. Und das seien nun mal Eigenschaften, die vor allem Männer auszeichnen. Aber stimmt das überhaupt? Sind Frauen für Vertriebsjobs weniger geeignet? Oder spielen noch ganz andere Faktoren eine Rolle, die den Vertrieb aus weiblicher Sicht eher unattraktiv erscheinen lassen?
Wir von salesjob wollten es genauer wissen. Denn die Antworten auf diese Fragen zeigen Vertriebsorganisationen auf, wie sie von weiblicher Verstärkung profitieren könnten. Zugleich offenbaren sie, wo ein Unternehmen ansetzen sollte, um mehr Vertrieblerinnen für sich zu gewinnen. In unserem diesjährigen salesjob Jobreport dreht sich deshalb alles um die Frauen im Vertrieb. Wer sind sie? Wie sehen sie ihren Job? Welche Stärken haben sie? Wo stoßen sie in ihrem Arbeitsalltag auf Probleme? Was motiviert und demotiviert sie?
Die Studie entstand in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsteam von index research. Grundlage bildet eine Online-Befragung von Februar 2021 unter mehr als 300 Vertriebsmitarbeiterinnen. Die Ergebnisse sind in vielerlei Hinsicht aufschlussreich und räumen mit so manchem Vorurteil auf.
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Wodurch zeichnen sich Vertrieblerinnen aus?
Von der Sachbearbeiterin über die Account Managerin bis zur Vertriebsleiterin – unter den Studienteilnehmerinnen ist jeder nur denkbare Job im Vertrieb vertreten. Überraschenderweise kümmern sich die meisten (jede fünfte) um den Vertrieb technischer Produkte. Dass Frauen und Technik nicht zusammenpassen, gehört also schon einmal in die Mottenkiste alter Rollenvorstellungen. Der Annahme, Männer würden dem Leistungsdruck besser standhalten, widersprechen die Vertrieblerinnen zum überwiegenden Teil. Ganz ähnlich sieht es bei Belastbarkeit und Stressresistenz aus. Denn diese Eigenschaften zählen für die meisten Frauen mit zu den wichtigsten im Sales-Bereich.
TEAMPLAY UND BEZIEHUNGSPFLEGE
Teamplay scheint auf den ersten Blick im Vertrieb nicht so relevant zu sein. Das stimmt aber keineswegs. Einerseits sind selbst die Top-Umsatzmacher auf eine gute Zusammenarbeit mit dem ganzen Vertriebsteam angewiesen. Andererseits steht bei Unternehmen Teamfähigkeit ziemlich weit oben auf der Wunschliste, wenn offene Vertriebsstellen besetzt werden sollen. In puncto Teamfähigkeit haben Frauen jedoch die Nase vorn, finden 80,5 Prozent der Vertrieblerinnen.
Kundenberatung und Kundenbetreuung gehören zu den Aufgaben, die Frauen im Vertrieb besonders gern übernehmen. Sie sehen bei der Kundenbindung und in der Beziehungspflege ihre ganz besonderen Stärken. Vor dem Hintergrund, dass Neukundenakquise recht kostspielig ist und irgendwann an ihre Grenzen stößt, gewinnen nachhaltige Kundenbeziehungen weiter an Bedeutung. Ein Fakt, den die Stellenanzeigen aus dem vergangenen Jahr untermauern: Am gefragtesten waren Mitarbeiter in der Kundenberatung. Das wiederum macht Vertrieblerinnen als Zielgruppe im Recruiting einmal mehr interessant.
Welchen Problemen stehen Frauen im Vertrieb gegenüber?
Im Großen und Ganzen zeigt die Studie, dass weibliche Sales-Profis den männlichen ganz klar das Wasser reichen können. Dennoch zieht es Frauen eher weniger auf dieses Parkett. Den Studienergebnissen zufolge bringt schon das Bewerbungsverfahren die ersten Hürden mit sich. Über die Hälfte der Vertrieblerinnen vertritt die Ansicht, Unternehmen behandeln Männer dabei bevorzugt. Auch die Themen Gehalt und Karrierechancen werden sehr kritisch eingeschätzt. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? Offensichtlich nicht im Vertrieb. Die große Mehrheit der weiblichen Vertriebsmitarbeiter glaubt, weniger zu verdienen als ein Mann in vergleichbarer Position – und empfindet das als Abwertung.
Obwohl sich laut Aussagen der Befragten ein Job im Vertrieb gut mit dem Familienleben vereinbaren lässt: Kind und Karriere sind keine Selbstverständlichkeit. Denn um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, arbeiten die Vertrieblerinnen oft in Teilzeit. Als Folge bleiben ihnen Chancen auf höhere Führungspositionen in der Regel verwehrt. Frauen als Vertriebsleiterinnen und Chief Sales Officer bilden die Ausnahme. Die Erkenntnis, dass eine 45-Studen Woche keine Grundvoraussetzung zur Mitarbeiterführung darstellt und man Führungsaufgaben teilen kann, ist in vielen Köpfen und Chefetagen wohl noch nicht angekommen.
Wozu mehr Frauen im Vertrieb?
Solange wesentliche Eigenschaften für eine Tätigkeit im Vertrieb vornehmlich Männern zugeschrieben werden, Karrierechancen nicht gleich verteilt sind und es bei der Vergütung unfair zugeht, darf es wenig verwundern, wenn der Vertrieb immer noch männlich dominiert wird. Mehr Frauen im Vertrieb könnten für Unternehmen jedoch essenziell gegen den Fachkräftemangel und für mehr Wettbewerbsfähigkeit sein. Sie sind nicht nur genauso leistungs- und durchsetzungsstark wie ihre männlichen Kollegen. Sondern sie verfügen über Fähigkeiten, die im modernen Vertrieb an Relevanz gewinnen.
Darüber hinaus sorgt ein höherer Frauenanteil für mehr Diversität. Das ist gerade im Vertrieb nicht ganz unbedeutend. Denn je besser ein Vertriebsteam den Kundenquerschnitt widerspiegelt, desto eher bekommt es Zugang zu den Kundengruppen. Immerhin besteht die halbe Bevölkerung aus Frauen und ist damit eine wichtige Zielgruppe. Ausnahmsweise kein Klischee: Frauen haben andere Bedürfnisse und kommunizieren anders. Vertrieblerinnen sind hier der ideale Gegenpart, um die weibliche Kundschaft optimal zu betreuen.
Was müssen Unternehmen ihren Vertrieblerinnen bieten?
Es gibt folglich eine ganze Menge guter Argumente, den Vertrieb weiblich zu verstärken. Damit das gelingt, muss ein Job im Vertrieb für Frauen attraktiver werden. Hier sind die Unternehmen gefordert, die notwendigen Anreize zu schaffen. Ein erster Ansatz liegt bereits bei der Bewerberansprache. Stellenanzeigen müssen so gestaltet sein, dass sie alle Geschlechter ansprechen. Anforderungsprofile sollten nicht zu eng gehalten werden, sondern Alternativen aufzeigen. Frauen bewerben sich nämlich meistens erst, wenn sie ein solches Profil mindestens zu 90 Prozent erfüllen.
➥ So geht’s: 5 Tipps für Unternehmen – So gewinnen Sie mehr weibliches Vertriebspersonal
Außerdem machen Angebote Sinn, die den Wünschen und Bedürfnissen der Vertrieblerinnen entsprechen. Worauf sie besonderen Wert legen, sind unter anderem flexible Arbeitszeiten und Homeoffice-Optionen. Auch das Arbeitsumfeld spielt eine Rolle. Dazu gehören spannende, fordernde Aufgaben genauso wie ein offener, kollegialer Umgang und Anerkennung für Geleistetes. Die größte Motivation ziehen die Vertrieblerinnen aber aus einem fairen, attraktiven Gehaltsmodell.
Der Vertrieb ist zahlengetrieben. Steigen die Umsätze, steigen die Boni. Davon profitieren bei den klassischen variablen Vergütungsmodellen vor allem diejenigen, die die Abschlüsse machen. Frauen sind im Vertrieb zumeist im Innendienst in der Kundenbetreuung, im Kundenservice und in der Administration tätig. Bereiche also, die zwar wichtige Zuarbeit leisten, mit Provisionen hingegen selten bedacht werden. Modelle zur erfolgsbasierten Teamentlohnung bieten eine faire Alternative und förden zugleich die Erkenntnis, dass der moderne Vertrieb längst kein Schauplatz mehr nur für Einzelkämpfer ist.
Fazit
Mehr weibliches Vertriebspersonal einzustellen, kann für eine große Bereicherung sorgen und Nachwuchsproblemen entgegenwirken. Es existieren diverse Möglichkeiten, Frauen im Vertrieb ein attraktives Arbeitsumfeld zu bieten. Manche lassen sich leicht realisieren, andere sind nicht von heute auf morgen umsetzbar. Mit eine der schwersten Aufgaben und dennoch die wichtigste ist, althergebrachte Vorstellungen und Rollenbilder aufzugeben. Nur ein Wandel im Denken und in der Unternehmenskultur werden Unternehmen in die Lage versetzen, den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein – mit weiblicher Unterstützung!
Beitragsbilder: Adobe Stock | Jeanette Dietl // denisismagilov