Tattoos im Job – Wie tolerant ist der Vertrieb?

Veröffentlicht: 20.07.2022 | Lesedauer: 6 Minuten

Tattoos – früher einmal Markenzeichen von Seeleuten und »Knastbrüdern« – sind heute in allen Gesellschaftsschichten verbreitet. Sie gelten als trendy und ca. ein Viertel der Deutschen hat eine Tätowierung oder gar mehrere – sofern man verschiedenen Umfragen glauben darf. Tätowierungen werden oft als Ausdruck persönlicher Individualität – als Körperkunst – gesehen. Doch sie lösen nicht überall Wohlgefallen aus. Spätestens beim Thema Tattoos im Job hört für viele Unternehmen der Spaß auf. Und im Vertrieb? Dürfen Vertriebsmitarbeiter überhaupt tätowiert sein oder können sie ihre Karriere knicken?

Inhalt
Welche Branchen sehen Tätowierungen kritisch?
Können Tattoos im Beruf verboten werden?
Kündigung wegen Tattoo?
Vertriebler und Tattoos – ein NoGo?
Werbung, die unter die Haut geht

Tattoos im Job

Schon gewusst?

Wer glaubt, dass das Tätowieren eine Erfindung der Moderne ist, der irrt. Menschen praktizieren seit Jahrtausenden aus den unterschiedlichsten Gründen diese Form der Körperkunst. Schon die etwa 5.300 Jahre alte, weltberühmte Gletschermumie »Ötzi« war tätowiert. Die Forschung geht momentan davon aus, dass seine 61 Tätowierungen wahrscheinlich therapeutischen bzw. medizinischen Zwecken dienten. Denn sie befanden sich an bekannten Akupunkturpunkten sowie an Stellen, an denen er Schmerzen gehabt haben musste.*

Skythen, Kelten oder Maori – die Kunst des Tätowierens war und ist überall auf der Welt bekannt und hat sich vermutlich ganz unabhängig voneinander entwickelt. Ihre Geschichte ist spannend, facettenreich und zuweilen düster. Mittlerweile scheinen Tattoos und Piercings im westlichen Kulturkreis irgendwie zum Alltag zu gehören. Kaum jemand stößt sich noch daran – jedenfalls nicht im privaten Umfeld. Aber Tattoos im Job können in manchen Branchen zum Problem werden.

Wo sind Tattoos im Job nicht erwünscht?

In einigen Branchen wird sehr viel Wert auf die äußere Erscheinung gelegt. Beispielsweise bei Fluggesellschaften oder im gehobenen Hotel- und Gaststättengewerbe. Auch der Vertrieb gehört dazu, weil Arbeitnehmer hier – allen voran die Außendienstler – sehr oft direkten Kundenkontakt haben. Sie vertreten ihr Unternehmen Kunden gegenüber und sollen dementsprechend seriös auftreten. Weil der Vertrieb, ähnlich wie Finanz- und Versicherungswesen oder der Anwaltsberuf – zu den konservativen Branchen zählt, wird immer noch überwiegend ein ebensolches Outfit erwartet.

Obwohl es keine Berufskleidung im eigentlichen Sinne gibt, gilt eine Art Dresscode für Vertriebsmitarbeiter: die klassische, dezente Business-Kleidung ohne auffällige Accessoires. Diese könnten Kunden nämlich zu sehr ablenken oder gar abschrecken. Aber Tattoos und Piercings sind nun mal alles andere als dezent und unauffällig. Deswegen passen tätowierte Vertriebler mit den gängigen Vorstellungen nicht so recht zusammen.

Noch enger sieht es der öffentliche Dienst: Hier sind Tattoos – zum Beispiel bei der Polizei – teilweise verboten. Zumindest dann, wenn sie nicht durch Kleidung abgedeckt werden können. Das hat etwas mit dem Neutralitätsgebot für Beamte zu tun. Sie sollen im Dienst den Staat oder ihr Bundesland repräsentieren und nicht ihre Individualität zur Schau stellen. Nun ist der Vertrieb keine staatstragende Institution. Kann der Chef also überhaupt mitreden, wenn sich Vertriebsmitarbeiter tätowieren lassen möchten?

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Darf der Arbeitgeber Tattoos im Job verbieten?

Wohl niemand, der sich ein Tattoo zulegt, denkt in diesem Moment an seine Karriere oder daran, was sein Arbeitgeber dazu sagt. Immerhin ist der eigene Körper ja Privatsache! Das stimmt freilich, denn das Grundgesetz gesteht jedem das Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung zu. Allerdings endet diese Freiheit dort, wo sie die Rechte anderer einschränkt.

Deshalb dürfen Arbeitgeber in gewissem Maße Einfluss auf das Erscheinungsbild ihrer Mitarbeiter und damit auch auf Tattoos am Arbeitsplatz nehmen. Das Arbeitsrecht spricht Arbeitgebern nämlich ein Weisungsrecht zu, welches sich genauso auf das Outfit erstecken kann – sofern Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an einem bestimmten Erscheinungsbild ihrer Arbeitnehmer haben.

Pauschal verbieten dürfen Arbeitgeber Piercings und Tattoos am Arbeitsplatz jedoch nicht. Vor allem dann nicht, wenn der Körperschmuck gar nicht zu sehen ist. Problematischer sind die deutlich sichtbaren; etwa auf Händen, an Hals und Nacken oder im Gesicht. Liegt es im Interesse des Arbeitgebers, kann er verlangen, dass man die Stellen verdecken bzw. Piercings während der Arbeit herausnehmen muss.

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Kann man wegen einem Tattoo gekündigt werden?

Stellt sich die spannende Frage: Was passiert eigentlich, wenn ich mir ein Tattoo stechen lasse und meinem Chef passt das nicht? Kann er dann die Kündigung aussprechen? Weil ein Unternehmen eben nicht einfach in die Persönlichkeitsrechte seiner Arbeitnehmer eingreifen und Tattoos per se verbieten darf, gilt erst einmal: Man kann sich tätowieren lassen, wo man will, ohne direkt eine Kündigung befürchten zu müssen.

Gibt es Regelungen im Betrieb, die aus stichhaltigen Gründen sichtbare Körperkunst in Form von Tattoos und Piercings am Arbeitsplatz untersagen, muss man sich dem Direktionsrecht des Arbeitgebers beugen und entsprechende Stellen verdecken. Ansonsten riskiert man eine Abmahnung und bei wiederholten Verstößen unter Umständen tatsächlich eine verhaltensbedingte Kündigung. Wie gesagt, trifft das aber nur auf sichtbare Körperverzierungen zu.

Das bedeutet jedoch ebenfalls: Eine Klausel im Arbeitsvertrag, die das Tragen von Piercings und Tätowierungen generell ausschließt, ist unwirksam. Außerdem gehören Fragen im Vorstellungsgespräch nach nicht sichtbaren Tattoos und Piercings zu denen, die sprichwörtlich unter die Gürtellinie gehen. Hier darf man getrost die Antwort verweigern. Trotzdem kann eine solche Frage ein deutlicher Hinweis sein, dass das Unternehmen dem Thema eher weniger aufgeschlossen gegenübersteht.

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Sind Tattoos für Mitarbeiter im Vertrieb wirklich tabu?

Wenn knapp ein Viertel der Deutschen tätowiert ist, dürfte mit Sicherheit der eine oder andere Vertriebler dabei sein. Als Arbeitnehmer in einer der Branchen, die eher »Tattoo-Gegner« sind, werden das wahrscheinlich vorrangig verdeckte Tattoos sein. Doch was, wenn man als Sales Manager für ein Unternehmen arbeitet, das Zubehör für Tätowier-Studios vertreibt? Da kann so ein Tattoo – natürlich gestochen mit den eigenen Produkten – von deren Qualität zeugen. Oder Vertriebler, die Kunden in Branchen haben, wo Tattoos und Piercings längst kein Tabu mehr sind? Immerhin schwört so mancher Mitarbeiter im Vertrieb darauf, das eigene Outfit an das des Kunden anzupassen.

Genau wie der Dialekt im Beruf kann vielleicht auch eine Tätowierung durchaus ein Vorteil sein, sofern man dadurch leichter Zugang zum Kunden bekommt. Im reinen Vertriebsinnendienst stellt sich die Frage ohnehin nicht – es sei denn, man betreibt Remote Selling per Video. Insgesamt kommt es wohl sehr auf die individuelle Einstellung der Kunden und des eigenen Unternehmens an, wie Tattoos am Arbeitsplatz bewertet werden. Davon ist der Vertrieb mit Sicherheit nicht ausgenommen.

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Tattoos im Job – mal anders

Die Sichtweise zu Tattoo und Co. könnte sich in Zukunft ganz schön wandeln. Immerhin ist die Mehrheit der Tätowierten derzeit unter 30 Jahre alt. Vertreter dieser Generation werden bald auch Führungspositionen innehaben und mitbestimmen, wie das mit den Tattoos im Beruf so gehandhabt wird. Wenn der Chef ganz partout gegen Tätowierungen ist, man selbst aber unbedingt eine will: Wie wäre es mit dem Firmenlogo? Oder dem des allerbesten Kunden? Quasi Werbung, die unter die Haut geht und das Tattoo zum ultimativen Marketingsinstrument macht!

So etwas gibt es mittlerweile tatsächlich. Immer wieder kann man in den Medien lesen, dass Mitarbeiter sich ihr Firmenlogo tätowieren lassen oder Menschen sich als lebende Litfaßsäule anbieten. Das Ganze hebt das Thema Tattoos im Job noch einmal in eine ganz andere Dimension, finden wir. Der einzige Haken: Was ist, wenn man den Job wechseln will, vielleicht zur direkten Konkurrenz? In dem Fall hilft wohl nur die Tätowierung verdecken – oder man nutzt sie als Beweis, dass der alte Job super war, nur die richtige Perspektive fehlte, die man nun zu finden hofft. 😉

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*Quelle: National Geographic – 30 Jahre Ötzi-Fund

Gender-Hinweis
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die geschlechtsspezifische Differenzierung nicht durchgehend, sondern meist das generische Maskulinum (z. B. „der Arbeitgeber“). Sämtliche Personenbezeichnungen gelten jedoch gleichermaßen für jedes Geschlecht und sollen keinerlei Benachteiligung darstellen. Die verkürzte Sprachform hat ausschließlich redaktionelle Gründe und ist wertfrei.

Beitragsbild: Adobe Stock | LIGHTFIELD STUDIOS

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