Androhung einer Erkrankung: Fristlose Kündigung?
Ein Arbeitnehmer wollte von seinem Arbeitgeber kurzfristig Erholungsurlaub an einem Brückentag haben. Dies lehnte der Arbeitgeber mit der Begründung ab, es seien unaufschiebbare Arbeiten zu erledigen. Daraufhin sagte der Arbeitnehmer, er werde sich krank melden. Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 12.03.2009, 2 AZR 251/07) hatte sich mit der Frage zu befassen, ob eine solche Androhung einer Erkrankung die außerordentliche, fristlose Kündigung rechtfertigt.
Androhung einer Erkrankung ist wichtiger Kündigungsgrund
Der Kläger ist wegen seiner über 30 Jahre dauernden Beschäftigung im Geltungsbereich des BAT nur noch aus einem wichtigem Grund kündbar (vgl. §§ 53 ff.). Der Senat hatte zu prüfen, ob die Androhung einer Erkrankung im Fall der Nichtgewährung von Erholungsurlaub einen wichtigen Grund (i.S.d. § 626 Abs. I BGB) darstellt.
Das als Vorinstanz zuständige Landesarbeitsgericht München vertrat die Auffassung, die Androhung einer Erkrankung als Reaktion auf das Urlaubsverlangen stelle einen wichtigen Grund dar. Unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer bei der entsprechenden Erklärung tatsächlich erkrankt war. Kündigungsrelevant sei der Vertrauensbruch des Arbeitnehmers. Dieser liege in der beim Arbeitgeber erzeugten Vorstellung, dass in Reaktion auf die Urlaubsverweigerung selbiger durch Vorlage eines Attests erzwungen werde.
Pflichtverletzung durch Androhung einer Erkrankung
Das BAG vertritt eine engere Auffassung. Es stimmt dem LAG dahingehend zu, der Arbeitnehmer dürfe dem Arbeitgeber keine ungerechtfertigten Nachteile androhen. Denn der Versuch, durch unzulässige Drohung einen Vorteil zu erlangen, verletze die arbeitsrechtliche Rücksichtnahmepflicht. Der Arbeitnehmer bringe mit einer solchen Erklärung zum Ausdruck, er sei notfalls bereit, seine Rechte aus dem Entgeltfortzahlungsrecht zu missbrauchen. Und zwar um sich einen vermögensrechtlichen Vorteil zu verschaffen. Dadurch verletze er seine aus der Rücksichtnahmepflicht folgende Leistungstreuepflicht. Des Weiteren werde durch die Pflichtverletzung das Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit und Loyalität des Arbeitnehmers erschüttert. Somit liege in einer solchen Erklärung auch ohne vorausgehende Abmahnung ein außerordentlicher Kündigungsgrund vor.
Dagegen sei der krankheitsbedingt arbeitsunfähige Arbeitnehmer nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet. Der Arbeitgeber ist dann auch nicht berechtigt, diese zu verlangen. Dies gelte auch, wenn der Arbeitnehmer bislang trotz bestehender Erkrankung dem Arbeitgeber seine Arbeitsleistung angeboten habe. Weist ein objektiv erkrankter Arbeitnehmer den Arbeitgeber darauf hin, „er sei dann eben krank“, schließe dies eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers nicht von vornherein aus.
Zeitpunkt der tatsächlichen Erkrankung maßgeblich
Auch bei tatsächlich bestehender Erkrankung sei es dem Arbeitnehmer aufgrund des Rücksichtnahmegebots verwehrt, die Krankheit als Druckmittel gegenüber dem Arbeitgeber einzusetzen. Etwa um den Arbeitgeber zu einem vom Arbeitnehmer gewünschten Verhalten zu veranlassen. War der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Ankündigung eines künftigen, krankheitsbedingten Fehlens aber bereits objektiv erkrankt und durfte er davon ausgehen, auch am Tage des begehrten Urlaubs (weiterhin) wegen Krankheit arbeitsunfähig zu sein, könne nicht mehr angenommen werden, sein fehlender Arbeitswille und nicht die bestehende Arbeitsunfähigkeit sei Grund für das spätere Fehlen am Arbeitsplatz.
Im zu entscheidenden Fall war zuvor nicht hinreichend geklärt, ob die Erkrankung schon vor der Drohung mit einer Krankmeldung bestanden hat. Insofern war die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurückzuverweisen.
Fazit: Eine außerordentliche Kündigung wegen Androhung einer Erkrankung ist grundsätzlich möglich. Jedoch wird sie unzulässig, wenn der Gekündigte nachweisen kann, dass er bereits vor der Drohung arbeitsunfähig erkrankt ist. Ob in diesen Fällen Abmahnung und ordentliche Kündigung in Betracht kommen, bleibt abzuwarten.
Ihr
Axel Vogt
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