Anreizsysteme: Was motiviert Vertriebsmitarbeiter?

Was motiviert Vertriebsmitarbeiter? Diese Fragen haben sich viele Unternehmen sicherlich nicht das erste Mal gestellt. Auch wir wollten dem auf den Grund gehen und haben hierzu ein Interview mit Prof. Dr. Susanne Steimer von der Hochschule der Wirtschaft für Management geführt. Sie erklärt uns, welche Anreizsysteme im Vertrieb wirklich funktionieren.

anreizsysteme

salesjob: Innerhalb einer Bachelorarbeit, die Sie betreut haben, ging es um Mitarbeitermotivation und Anreizsysteme. Dabei wurde ein direkter Vergleich zwischen Vertriebsmitarbeitern und Mitarbeitern anderer Funktionsbereiche gezogen. Die Angaben waren nicht so unterschiedlich, wie man vielleicht vermuten würde. Welches der Ergebnisse der Befragung hat Sie persönlich am meisten überrascht?

Prof. Steimer: Überraschend war zum einen, dass die Unterschiede zwischen Vertrieb und anderen Bereichen bezüglich der Motivation und Anreizsysteme nicht so deutlich ausgefallen sind, wie wir ursprünglich vermutet hatten. Beide Gruppen erwarten in erster Linie Anerkennung für die geleistete Arbeit und ein angenehmes Arbeitsklima.

Auf der anderen Seite sind aber dreiviertel der Befragten der Ansicht, dass sie sich doch in ihren Motivationsstrukturen von der jeweils anderen Gruppe unterscheiden. Hier spielen wahrscheinlich noch die alten Muster eine Rolle, nach denen man die jeweils andere Gruppe einschätzt. Im Sinne von: der Verkäufer braucht das Geld, der Innendienst die Streicheleinheiten.

salesjob: Motivation wird im Zusammenhang mit Vertrieb gerne mal mit „Vergütung“ gleichgesetzt. Woran glauben Sie, könnte das liegen?

Prof. Steimer: Die Vergütung im Vertrieb ist seit vielen Jahren erfolgsorientiert und zahlengesteuert. Die entsprechenden Nebenwirkungen bekommen wir mit jedem Skandal, der durch die Presse geht, auf dem Silbertablett serviert.

Die Banken- und Finanzwelt spielt dabei eine große Rolle, insbesondere in der öffentlichen Wahrnehmung. Damit setzt sich das Bild eines geldfixierten Vertrieblers in den Köpfen fest. Dass es inzwischen auch einige erfolgreiche Modelle gibt, die zeigen, dass man im Vertrieb auch ohne eine rein quantitative Zielorientierung erfolgreich sein kann, erfahren nur die wenigsten.

salesjob: Ist diese Annahme einer der Gründe dafür, dass Vertriebsberufe (ganz besonders in bestimmten Branchen, wie zum Beispiel in der Versicherungswirtschaft) in Beliebtheitsumfragen eher auf den hinteren Plätzen landen?

Prof. Steimer: Das spielt auf jeden Fall eine große Rolle. Die Unternehmen, die bisher alleine auf quantitative Ziele gesetzt und diese monetär honoriert haben, trugen dazu bei, dass sich der einzelne Verkäufer auch vorrangig daran orientierte. Und dann kommt es eben zu Abschlüssen, die streng genommen für den Kunden überhaupt keinen Sinn machen. Hinzu kommt noch, gerade in der Versicherungsbranche, die manchmal zweifelhafte Ausbildung der Vertriebler. Da werden Neueinsteiger in 14 Tagen zum Finanzberater ausgebildet und auf die Kunden losgelassen.

Natürlich gibt es in jeder Branche schwarze Schafe. Auf der anderen Seite aber auch sehr gute Ausbildungswege in der Versicherungswirtschaft, das möchte ich nicht in Zweifel ziehen. Dennoch hat der Vertrieb insbesondere in der öffentlichen Wahrnehmung noch immer ein Imageproblem.

salesjob: Dabei sind den befragten Vertriebsmitarbeitern andere Dinge viel wichtiger als Geld. Zum Beispiel Anerkennung, ein nettes Team und ein angenehmes Arbeitsklima. Glauben Sie, dass es sich dabei um eine jüngere Entwicklung handelt und dass materielle Anreizsysteme erst im Laufe der letzten Jahre an Bedeutung verloren haben?

Prof. Steimer: Nein, das denke ich nicht. Der Wunsch nach Anerkennung, ob im Job oder im Privaten, ist ein zutiefst menschliches Bedürfnis und somit keine jüngere Entwicklung. Genauso wie eine angemessene Vergütung für uns natürlich weiterhin wichtig bleibt. Nur haben sich die Bedeutungsgewichte in der letzten Zeit verändert. Stichworte dazu sind Individualisierung und Wertewandel.

In unseren entwickelten Gesellschaften treffen die meisten ihre Berufsentscheidung heute nicht mehr alleine aufgrund finanzieller Aspekte. Vielmehr entscheiden sie sich für Arbeitgeber oder Menschen, die ihnen Chancen bieten und deren Handeln zu ihren Bedürfnissen und Werten passen.

salesjob: Sind die Zeiten für Motivation durch materielle Anreizsysteme also vorbei?

Prof. Steimer: Wahrscheinlich nicht, da Geld noch immer eine besondere Form der Anerkennung darstellt. Was sich aber ändern wird, ist die Orientierung an rein quantitativen Vertriebszielen. Hier erleben wir immer deutlicher einen Wandel hin zu qualitativen Zielen, wie Kundenzufriedenheit, Vertrauen oder Loyalität. Gerade in der gebeutelten Finanzbranche hat hier eine interessante Entwicklung stattgefunden.

salesjob: In Ihrer Funktion als Studiengangsleiterin für Beratung und Vertriebsmanagement an der Hochschule der Wirtschaft für Management: Decken sich die Ergebnisse mit dem, was Studenten sich heutzutage von ihrer beruflichen Laufbahn erwarten? Also eher Anerkennung als materielle Anreizsysteme?

Prof. Steimer: Ja, für uns kann ich das bestätigen. Wir erleben eine Generation, die schon sehr genau weiß, was sie möchte und was nicht. Die sich auch traut Forderungen zu stellen. Auch zum Beispiel gegenüber uns Professoren oder der Hochschulleitung. Natürlich spielen eine angemessene Vergütung und Entwicklungschancen eine große Rolle, aber die meisten suchen sich den zukünftigen Arbeitgeber bewusst nach inhaltlichen Kriterien aus: was interessiert mich, was kann ich dort machen, welche Verantwortung kann ich übernehmen?

salesjob: Vor welche Probleme könnten Unternehmen dadurch gestellt werden?

Prof. Steimer: Unternehmen, die es nicht schaffen, entsprechende Möglichkeiten anzubieten, werden Probleme haben, ihre Stellen adäquat zu besetzen. Deshalb erlebt auch das Thema Employer Branding derzeit einen großen Boom.

salesjob: Welche Maßnahmen müssen Unternehmen Ihrer Meinung nach in Zukunft ergreifen, um qualifizierte Vertriebsmitarbeiter zu gewinnen und vor allem zu halten?

Prof. Steimer: Um gute Vertriebsmitarbeiter zu halten, brauchen die Unternehmen vor allem eine gute Führungskultur im eigenen Haus. Also weg von der alten Kontroll- und Zahlenmentalität, hin zu einer wertschätzenden und unterstützenden Führung. Zusätzlich brauchen wir eine stärkere Professionalisierung des Vertriebs. Weg von einer eher männerdominierten Hands-on-Mentalität hin zu professionellen Strukturen und Prozessen, Arbeiten im Team und dem Teilen von Wissen.

Auch die Flexibilisierung der Arbeitszeiten und die Ermöglichung von Teilzeit im Vertrieb sind Möglichkeiten, um die Attraktivität des Vertriebsjobs zu erhöhen. Darüber hinaus sollte der Vertriebsjob auch gute Entwicklungs- und Karrierechancen bieten, das ist allerdings bei den meisten Unternehmen ja jetzt schon der Fall.

Um qualifizierten Nachwuchs zu gewinnen, spielt natürlich die Nachwuchsförderung und das Arbeitgeberimage eine große Rolle. Eine Möglichkeit hierfür ist beispielsweise eine Kooperation mit unserer Hochschule. Denn die Absolventen unseres Studiengangs bringen zwei wichtige Dinge mit: eine hohe Motivation für den Vertriebsjob und eine qualifizierte Ausbildung. Wenn dann noch die Chemie zwischen Arbeitgeber und Bewerber stimmt, steht einer Vertriebskarriere nichts mehr im Weg.

24.10.2014

Bild oben: composita | pixabay.com

Porträt Susanne Steimer

Prof. Dr. Susanne Steimer, Dr. rer. soc, Diplom-Kauffrau, lehrt an der Hochschule der Wirtschaft für Management (HdWM) Mannheim. Ihre Schwerpunkte bilden Vertriebsmanagement, Beratungsforschung sowie Motivation und Führung. Zuvor war sie über zehn Jahre am Mannheimer WO-Institut als Beraterin in internationalen Personal- und Organisationsentwicklungsprojekten tätig. Für Webducation GmbH mit Sitz in Wien verantwortet sie seit über fünf Jahren den deutschlandweiten Vertrieb für innovative E-Learning Anwendungen. An der HdWM ist sie verantwortlich für die Leitung des Studiengangs Beratung und Vertriebsmanagement.

Bildrechte / Quellenangabe: Prof. Dr. Susanne Steimer

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