Frauen im Vertrieb – Ein Interview mit Gabriela Ahrens

In unserer Reihe „Frauen im Vertrieb“ stellen wir regelmäßig weibliche Sales-Profis vor und lernen auf diese Weise spannende Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Branchen und Job-Leveln kennen. Dieses Mal im Interview: Gabriela Ahrens.

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Hallo Gabriela! Stell dich doch bitte einmal kurz vor und erzähl uns ein bisschen etwas aus deinem beruflichen Werdegang.

Sehr gerne. Also, ich bin Gabriela Ahrens, inzwischen Freelancerin, Startup-Gründerin, Mentorin, Coachin und interkulturelle Trainerin. Ich mache viele Dinge mit dem Wissen, das ich aus dem Vertrieb mitgebracht habe.

Ein kleiner Rückblick auf meinen Werdegang: Ich war dreißig Jahre bei der Lufthansa, davon 18 Jahre im Ausland. Ich habe in Shanghai, Hongkong, Australien und Singapur den Vertrieb aufgebaut, umgebaut und zukunftsfähig gemacht. In Südchina war ich in einem Joint Venture für Lufthansa Cargo tätig.

Vor dreißig Jahren war Vertrieb noch ganz anders. Früher war alles sehr händisch und zeitaufwendig, heute dominieren Digitalisierung, KI und Automatisierung. Nach meiner Rückkehr nach Deutschland habe ich in Frankfurt den Vertrieb in verschiedenen Bereichen umgebaut und einen Geschäftszweig im touristischen Bereich mit aufgebaut.

2020 bin ich bei der Lufthansa ausgestiegen und habe mich zur interkulturellen Trainerin zertifizieren lassen. Außerdem bin ich im Bundesverband der Vertriebsmanager aktiv und habe ein Startup gegründet. Heute nutze ich mein Vertriebswissen, um junge Menschen und andere Startups zu unterstützen. Mein Fokus liegt darauf, wie Vertrieb in der Zukunft aussehen muss, was sich seit meinem Einstieg vor dreißig Jahren stark verändert hat.

Was spornt dich denn so am Arbeiten im Vertrieb an? Vertrieb ist ja irgendwo ein Job, aber ich glaube, bei manchen ist es auch eine Leidenschaft. Ich könnte mir vorstellen, dass es bei dir auch eher in Richtung Leidenschaft geht. Was genau ist der Punkt, wo du sagst: „Das treibt mich an, das spornt mich an, das gibt mir die Motivation und den Schub?“

Als ich bei der Lufthansa ausgestiegen bin, habe ich natürlich überlegt, was ich machen kann. Es motiviert mich, zu sehen, dass das Wissen, das ich mir in all dieser Zeit angeeignet habe, gebraucht wird und ich es noch einmal anbringen kann, auch für Zukunftsthemen und die Zukunftsgestaltung. Für mich ist das Hauptthema der Mensch. Der Mensch ist immer noch wichtig, der Kunde ist immer noch wichtig. Diese Gratwanderung zu finden, zu sagen, okay, wo fängt der persönliche Kontakt an und wo muss man neue Tools und Vertriebsstrukturen einsteigen, ist faszinierend.

Es ist die pure Neugier, die mich antreibt, mitgestalten zu können und in die Zukunft zu schauen, anstatt zurückzuschauen und zu sagen, früher war alles besser. Das Wichtigste für mich ist immer der Mensch, mit dem man zu tun hat, der Kunde, und die Kundenreise, also die Customer Journey. Dem Kunden zuzuhören und zu verstehen, was man tun muss, um das richtige Paket für den Kunden zu schnüren. Es ist die Neugier und das ständige Lernen, was mich antreibt.

Neugier ist auf jeden Fall ein super Treiber. Wir hatten im Vorgespräch ja auch festgestellt, dass du jemand bist, der neue Herausforderungen und Aufgaben mit offenen Armen empfängt. Das passt absolut zu deinem Wesen.

Ich hatte in meinen einleitenden Worten gesagt, dass wir mit dieser Interviewreihe Frauen im Vertrieb stärken und sie ermutigen wollen, in dieses Tätigkeitsfeld einzusteigen. Fakt ist, die Vertriebsbranche ist, auch wenn sie schon dreißig Jahre oder älter ist, nach wie vor ein recht männerdominiertes Berufsfeld. Meine Frage ist: Gibt es etwas, worum du deine männlichen Kollegen beneidest?

Beneiden eigentlich nicht. Ich bin ja nun wirklich schon sehr lange im Vertrieb und komme aus einer Zeit, in der die Rolle der Frau im Beruf noch einmal ganz anders war und man sich anders durchkämpfen musste. Ich war nicht nur für die Lufthansa Passage Airline unterwegs , sondern auch für die Luftfracht – eine totale Männerdomäne. Ich war eigentlich immer die Frau, die in diese Domäne eingebrochen ist, Grenzen und Zäune abgebrochen hat. Damals war es teilweise viel schwerer, dagegen anzugehen und gleichzeitig Frau sein zu dürfen.

Ich habe mir immer viele Gedanken darüber gemacht, wie ich nach außen erscheinen muss und was ich tun sollte. Es war mir immer ganz wichtig, dass ich bei all den männerdominierten Jobs, die ich gemacht habe, trotzdem Frau bleibe. Ja, ich habe auch in der Luftfracht immer meine High Heels und Kostümchen getragen. Es war mir wichtig, natürlich zu sein und meine Werte zu leben – einfach Frau zu sein. Darüber denken Männer gar nicht nach. Wenn ich sie um etwas beneide, dann ist es diese Selbstverständlichkeit, mit der sie das ausfüllen, was sie tun. Wir Frauen denken manchmal zu viel darüber nach.

Gibt es vielleicht auch bestimmte Vorteile, die Frauen im Vertrieb gegenüber ihren männlichen Kollegen haben? Wenn ja, welche sind das?

Ja, es gibt definitiv Vorteile, so wie ich sie erlebt habe. Ein Thema ist die Effizienz. Viele Frauen, bei denen die Familie eine große Rolle spielt, steigen wieder in den Job und auch in den Vertrieb ein. Ich hatte viele Mitarbeiterinnen, die zu mir gekommen sind und gesagt haben, sie möchten wieder arbeiten, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Für mich war das kein Problem. Wir haben uns darauf geeinigt, dass sie so arbeiten, wie sie können. Ich habe nie bessere Mitarbeiterinnen gehabt, weil sie so effizient gearbeitet haben. Sie haben sich fokussiert und effizient gearbeitet. Man sagt ja immer, Frauen können mehrere Dinge gleichzeitig. Ich glaube nicht wirklich daran, aber dieses Multitasking, das können wir wirklich gut bewältigen. Wir haben verschiedene Bälle in der Luft, aber wir arbeiten sie nacheinander ab.

Wenn wir wir selbst sind und das auch sein dürfen, können wir unseren Charme einbringen. Ich habe oft das Feedback bekommen, dass ich immer lache und ein sehr positiver Mensch bin. Ich habe mir nie die Mühe gemacht, besonders ernst zu wirken. Ich habe alles ernst genommen, was ich getan habe, aber das Lachen hat mir nie gefehlt. Die Persönlichkeit, die eine Frau ins Spiel bringt, ist eine ganz andere als die eines Mannes. Beides ist nicht falsch, aber auch nicht nur das eine richtig. Unsere Authentizität können wir wunderbar spielen. Gerade wenn wir in Männerberufe oder -domänen einsteigen, können wir Akzente setzen und den Mut haben, uns auf Situationen einzustellen. Das können Frauen sehr gut.

Jetzt korrigiere mich, wenn ich das falsch interpretiere, aber ich glaube, du warst nie so direkt an der Front, was Verkaufsgespräche angeht. Aber versetzen wir uns mal in die Lage, dass du in einem Verkaufsgespräch wärst. Dann ist natürlich immer die spannende Frage: Wie verwandelt man ein Nein in ein Ja? Können wir da vielleicht in die Schatztruhe der Gabriela Ahrens eintauchen? Hast du irgendwelche Tipps oder Kniffe, von denen wir profitieren können?

Also, ich war tatsächlich auch in direkten Verkaufsgesprächen. Egal in welcher Position du unterwegs bist, wenn du Vertriebsleitung bist, gibt es ja auch Eskalierungen. Zum Beispiel, wer macht welchen Job? Wer geht wann mit wem ins Gespräch? Das ist grundsätzlich erstmal eine Teamarbeit. Wenn ein Key Account Manager sagt, dass wir auf einem ganz anderen Level diskutieren müssen und meine Unterstützung braucht, dann gehe ich mit ins Gespräch.

Das haben wir sehr oft gemacht. Oder wir haben gesagt, hier muss man auf einem anderen Level einsteigen, um mit dem Kunden zu sprechen. Für mich ist es unglaublich wichtig, den Kunden zu kennen und zu verstehen, wie er tickt. Die Vorbereitung auf das, was man erreichen will, ist extrem wichtig, um zum Ziel zu kommen.

Ich habe es eigentlich nie erlebt, dass ich zu einem Kunden gegangen bin, der von vornherein gesagt hat, dass er nicht interessiert ist. In meiner alten Welt war es tatsächlich so, dass die Kunden zu uns kamen, weil sie uns brauchten. Das heißt, man hat schon mal eine ganz andere Basis. Es geht eher um die Konditionen und die Schlüsselthemen, auf die man sich gut vorbereiten kann.

Du musst den Kunden kennen und wissen, wie er tickt. Dann ist ein Nein eigentlich kein Thema. Es geht darum, das richtige Momentum zu erfassen. Wenn du ein Ziel hast und der Kunde sich an einer bestimmten Stelle befindet, musst du ihn in der Mitte abholen. Es geht darum, das richtige Timing zu finden und den Moment zu erkennen und zu nutzen, in dem der Kunde zustimmt. Das eigentliche Thema ist nicht, dass der Kunde Ja sagt, sondern vielmehr, wie du das Momentum erkennst und darauf reagierst.

In meinem neuen Startup ist es ein großes Thema, den Bedarf überhaupt erst zu kreieren.

Hol uns doch einmal kurz ab, was du mit deinem Startup machst. Dann haben wir noch ein bisschen mehr Kontext.

Sehr gerne. Meine chinesische Partnerin und ich haben ein Startup gegründet, das Gastronomie und Hospitality dabei unterstützt, Service- und Lieferroboter in ihre Betriebsprozesse zu integrieren. Der Hintergrund ist der aktuelle Personalnotstand in diesen Branchen. Einige Arbeitsprozesse können problemlos an Roboter übergeben werden, sodass mehr Zeit für den Kunden bleibt.

Es gibt verschiedene Reaktionen: Manche brauchen die Roboter dringend, weil sie den Personalnotstand spüren. Andere befürchten, dass Roboter ihnen den Job wegnehmen könnten. Wir konzentrieren uns auf die, die offen dafür sind, und überlegen gemeinsam, wie ein Service- und Lieferroboter für ihr Unternehmen relevant sein kann.

Ein Beispiel: Ein Kunde lässt den Roboter in der Lounge herumfahren, um schmutziges Geschirr in die Küche zu bringen. Das Personal muss nicht mehr hin- und herlaufen, sondern der Roboter übernimmt diese Aufgabe.

In meiner neuen Rolle geht es darum, den richtigen Ansprechpartner zu finden, der offen für diese Gespräche ist, und dann das „Vielleicht“ in ein „Ja“ zu verwandeln. Hier zählt die persönliche Aufmerksamkeit für den Kunden. Sobald ein Kunde den Roboter testet, haben wir noch keinen erlebt, der ihn danach nicht eingesetzt hat.

Du sagst ja, wenn die Kunden einmal in den Test gehen, dann ist das Ja eigentlich schon so gut wie im Sack. Wenn dann das finale Ja kommt, ist das ja ein Erfolg. Mich würde interessieren, wie du Erfolge am liebsten feierst?

Meine Partnerin und ich gehen tatsächlich essen, wenn wir einen richtig guten Vertrag abgeschlossen haben. Wir feiern das, indem wir sagen, das nächste Hot Pot Restaurant ist unseres. Es macht einen wahnsinnig stolz, und man feiert sich selbst ein bisschen, weil es schön ist, diese Erfolge zu verinnerlichen und zu reflektieren, was den Erfolg gebracht hat. Wann war das Momentum da? Das hilft auch für das nächste Verkaufsgespräch.

Es ist ein Genuss, einen tollen Vertrag zu machen und das zu verinnerlichen. Außerdem ist es wichtig, mit dem Team zu feiern, wenn es ein Teamerfolg ist. Es sind immer viele Menschen an einem solchen Erfolg beteiligt. Dann schauen wir, wie wir es am besten feiern können: vielleicht zusammen essen gehen oder abends auf einen Drink. Grundsätzlich muss es in irgendeiner Form gefeiert werden, weil das motiviert.

Du hattest eingangs schon das Thema Tools und KI erwähnt. Vertrieb vor dreißig Jahren und heute sind ganz unterschiedliche Dinge. Plauder doch noch mal aus dem Nähkästchen. Telefongespräche sind ein Weg, in Kontakt zu kommen. Face-to-Face-Gespräche sind seit langem etabliert. Mittlerweile gibt es viele digitale Tools, wie Zoom, in dem wir uns gerade befinden. Gibt es den heiligen Gral für Abschlüsse heutzutage? Das heilige Tool? Oder ist es ein Mix aus allem? Welche Vorteile siehst du im aktuellen Digitalisierungsprozess?

Das heilige Tool kenne ich nicht. Jedes Unternehmen hat unterschiedliche Bedürfnisse im Vertrieb. Der Weg ist, die verfügbaren Tools kennenzulernen und zu nutzen. Ein beeindruckendes Beispiel ist ein Tool, das analysiert, wie ein Gespräch verlaufen ist, um den Kunden besser zu verstehen. Früher traf man sich persönlich mit Kunden, heute laufen viele Meetings digital. Dies hat die Kommunikation verändert und effizienter gemacht. Unterstützende Tools helfen, den Kunden kennenzulernen und den richtigen Kunden zu finden. Früher war dies zeitaufwendig, z.B. durch Telefonbuchrecherche. Die heutige Effizienz durch digitale Tools ist faszinierend. Trainings zeigen, wie man diese Tools nutzt. Wichtig ist, dass das Tool den Bedürfnissen des Kunden und Unternehmens dient. Besonders für Startups ist es essenziell, den Vertrieb nicht zu vergessen und Kosten effizient zu managen. Tools können dabei enorm helfen.

Genau, dann sind wir wieder beim Lernen.

Und da sind wir wieder bei der Neugier. Du musst dich wirklich dafür interessieren. Du musst nicht jedes Tool hundertprozentig verstehen, aber du musst dich dafür interessieren, um zu sagen, das ist jetzt genau das Thema, das ich für meinen Betrieb, für meinen Vertrieb und für mein Thema benötige.  

Das ist auch eine perfekte Überleitung zur nächsten Frage: Wie stillst du den Hunger nach Neuem? Also hast du vielleicht auch Empfehlungen oder Tipps für Bücher, Podcasts, Magazine, Blogs? Vielleicht gibt es auch Newsletter, die du regelmäßig liest.

Meistens sind es Menschen, die mich inspirieren. Das war schon immer so und ist bis heute geblieben. Deshalb höre ich gerne zu, was andere zu bestimmten Themen zu sagen haben. Ich ziehe es vor, Podcasts zu hören und mich dort inspirieren zu lassen, statt dicke Bücher zu lesen.

Ja, und so wie ich dich kennengelernt habe, bist du jemand, der sehr viel und gerne netzwerkt. Wir haben uns ja auch über den Bundesverband der Vertriebsmanagerinnen kennengelernt, ein Netzwerk, das uns verbindet. Daher habe ich mir die Frage, die ich dir gleich stelle, eigentlich schon beantwortet: Du bist eine absolute Verfechterin des Netzwerkens. Aber vielleicht kannst du uns noch einmal erläutern, warum Netzwerken für dich so wichtig ist und was du persönlich daraus ziehst. Dabei denken wir auch an Tipps für unsere Zuhörerinnen und Zuschauerinnen.

Ich finde Netzwerken sehr wichtig. Welches Netzwerk für wen funktioniert, ist jedoch sehr unterschiedlich. Wichtig ist, nicht nur zu schauen, was man daraus gewinnen kann, sondern auch, was man selbst einbringen kann. Netzwerken ist ein Geben und Nehmen. Mein Netzwerk hat sich über viele Jahre und durch meinen beruflichen Werdegang entwickelt, besonders im internationalen Airline- und Touristikbereich. Plattformen wie LinkedIn sind lebendig und wachsend, wie ein Schneeball. Dieses Netzwerk hat mir auch geholfen, mein eigenes Startup voranzubringen. Ein großer Fehler ist, nur aus einem Netzwerk herauszuziehen, ohne etwas zurückzugeben. So habe ich auch meine Geschäftspartnerin gefunden, was mit einem einfachen Austausch über Vertrieb begann und zur Gründung eines Unternehmens führte. Manchmal entstehen unerwartete Möglichkeiten aus Netzwerken, daher ist Geben und Nehmen so wichtig für mich.

Das war ein ganz würdiges Schlusswort. Wir sind jetzt nämlich am Ende unseres Interviews angekommen und ich sage vielen, vielen lieben Dank für dieses sehr, sehr angenehme und ich glaube auch sehr inspirierende Gespräch. Und ja, ich drücke dir auf jeden Fall die Daumen für das Startup, dass die Roboter Einzug halten.

Dankeschön dafür.


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