Das Buying Center im B2B Vertrieb
Veröffentlicht: 24.08.2023 | Lesedauer: 9 Minuten
Wer trifft die Kaufentscheidung? Ganz klar: Der Entscheider. Doch so simpel ist die Antwort keineswegs immer. Denn im B2B Bereich bekommen es Verkäufer meistens mit mehreren Personen zu tun, die in den Entscheidungsprozess involviert sind – dem sogenannten Buying Center. Der nachfolgende Artikel beschäftigt sich mit folgenden Fragen: Was ist ein Buying Center? Welche Rollen nehmen die Mitglieder des Buying Centers ein? Und wie müssen Vertrieb und Marketing aufgestellt sein, um gleich eine ganze Entscheiderriege zu überzeugen?
Inhalt
➠ Definition: Was ist ein Buying Center?
➠ Die Bedeutung des Buying Centers B2B
➠ Welche Rollen gibt es im Buying Center?
➠ Das Buying Center verstehen
➠ Welche Strategie ist geeignet?
➠ Fazit
Definition: Was bedeutet Buying Center?
Der Begriff Buying Center bezeichnet eine Gruppe von Personen, die in einem Unternehmen mit der Beschaffung von Produkten bzw. Dienstleistungen befasst sind. Im Deutschen ist auch die Rede vom Einkaufsgremium. Dabei handelt es sich nicht um eine eigene Abteilung oder feste Organisationseinheit, sondern die Zusammensetzung des Buying Centers kann situationsabhängig variieren.
Die einzelnen Mitglieder im Einkaufsgremium haben unterschiedliche Aufgaben bzw. Rollen inne und verfolgen darum durchaus unterschiedliche Interessen. Das Pendant auf Anbieterseite ist das Selling Center, also das Vertriebsteam, das gemeinsam mit dem Marketing den Verkauf verantwortet. Zugleich wird ein Buying Center – analog zur Buyer Persona – als Modell im Marketing genutzt. Es dient dazu, anhand fiktiver Rollenprofile ein besseres Verständnis zu den mit dem Einkauf befassten Akteuren auf Kundenseite zu erhalten.
Wozu brauchen Unternehmen ein Einkaufsgremium?
Wenn ich mir zum Beispiel ein paar Schuhe kaufen möchte, ist das ganz allein meine Entscheidung. Die neue Fußbekleidung muss mir gefallen und ausschließlich an meine Füße passen – folglich betrifft die finale Kaufententscheidung auch nur mich. Anders sieht es aus, wenn ein Unternehmen eine Investition tätigen will. Hier hat eine Kaufentscheidung nämlich erhebliche Auswirkungen auf das Unternehmen insgesamt. Sind Mitarbeiter in der Lage, die Lösung anzuwenden? Trägt sie zur Verbesserung von Arbeitsprozessen bei? Wann amortisiert sie sich und stimmt der Return on Investment?
Fehlgriffe können sich gravierend auf den unternehmerischen Erfolg niederschlagen. Je systemrelevanter die Investition und je höher die Investitionssumme, desto weitreichender die Folgen. Um Pro und Contra im Vorfeld gegeneinander abzuwägen und Risiken möglichst auszuschließen, sind mehrere Mitarbeiter verschiedener Hierarchiestufen an der Entscheidung beteiligt. Sie bewerten die geplante Anschaffung aus unterschiedlichen Blickwinkeln und beeinflussen den Kaufprozess von ihrem Standpunkt aus. Das Buying Center B2B hat die Aufgabe, die für das Unternehmen optimale Lösung unter Einbeziehung diverser interner Interessen zu finden.
Welche Rollen gibt es im Buying Center?
Für einen Anbieter sind Verhandlungen mit dem Buying Center des Kunden eine große Herausforderung. Vertriebsmitarbeiter müssen für die richtige Kundenansprache wissen, mit wem sie es eigentlich zu tun haben. Welche Rollen nehmen einzelne Mitglieder des Einkaufsgremiums ein und wie stehen sie miteinander in Verbindung? Denn nicht jede Rolle hat einen gleich starken Einfluss auf die Kaufentscheidung. Es gibt zwar keine allgemeingültige Regel, wie ein Buying Center aufgebaut ist, da die Zusammensetzung meist von der Art der Investition abhängt, die getätigt werden soll. Gängige Buying Center Modelle weisen den wichtigsten handelnden Akteuren sechs Rollen zu. Dabei existieren vier Kernrollen, die eng in den Entscheidungsprozess eingebunden sind:
➲ Der Anwender (User)
Der Anwender ist der Praxisexperte, der mit der angestrebten Lösung arbeiten soll. Er hat insofern Einfluss auf die Kaufentscheidung, als er wichtigen Input zur Umsetzbarkeit und notwendigen Konfigurationen liefert. Sein Ziel ist eine einfache Lösung, die er problemlos anwenden kann.
➲ Der Einkäufer (Buyer)
Der Einkäufer ist die Beschaffungsinstanz. Er hat die Aufgabe, Angebote einzuholen und zu vergleichen sowie fachlich und aus Kosten-Nutzen-Sicht zu beurteilen. Obwohl er nicht zwingend die Kaufentscheidung trifft, ist der Einkäufer eine der Schlüsselfiguren im Buying Center. Er strebt die wirtschaftlich beste Lösung an.
➲ Der Top-Entscheider (Decider)
Der Top-Entscheider ist derjenige, der das finale Wort hat. Meistens handelt es sich um ein hochrangiges Mitglied der Unternehmensführung oder den Geschäftsführer selbst. Er sucht nach einer Lösung, die Effektivität und Effizienz steigert und so das Unternehmen langfristig voranbringt.
➲ Der Beeinflusser (Influencer)
Der Beeinflusser fungiert als fachlicher Berater. Sein Interesse ist die qualitativ beste Lösung. Er verfügt über viel Hintergrundwissen und kann aus dieser Rolle heraus dem eigentlichen Entscheider wichtige Empfehlungen geben. Entweder hat der Influencer eine Schlüsselfunktion im Unternehmen oder es handelt sich um einen externen Berater.
Darüber hinaus werden dem Buying Center noch zwei weitere Rollen zugerechnet, die zwar keine unmittelbaren Entscheidungsträger sind, aber dennoch erheblichen Einfluss auf den Kaufprozess ausüben:
➲ Der Initiator
Initiatoren sind diejenigen im Unternehmen, die auf die Notwendigkeit einer Investition aufmerksam machen und dadurch den Beschaffungsprozess überhaupt erst anstoßen. Das kann ein einzelner Mitarbeiter sein, aber auch ein ganzes Team oder der Leiter einer Abteilung.
➲ Der Gatekeeper
Der sogenannte Gatekeeper (oder »Türsteher«) – häufig in Form der Assistenz – hat in der Regel die Aufgabe, dem Entscheiderkreis den Rücken freizuhalten, indem er Informationen sammelt, filtert und seinen Anweisungen gemäß weiterleitet – oder eben nicht. Gerade zu Beginn von Vertragsverhandlungen und ganz besonders bei der Kaltakquise können Gatekeeper ein echtes Hindernis für Vertriebler sein und sollten in ihrer Bedeutung keinesfalls unterschätzt werden.
Buying Center Modell Rollenverteilung
Außerdem bekommt es der B2B Vertrieb noch mit Befürwortern und Gegnern zu tun. Diese beiden Gruppen gehören nicht zwangsläufig zum Entscheiderkreis, aber sie agieren als Fürsprecher oder Widersacher und wirken dadurch indirekt auf den Kaufprozess ein. Sie sind zum Beispiel Mitglieder eines Fachgremiums, dass sich mit den technischen Anforderungen an die Lösung beschäftigt. Es kann durchaus erforderlich werden, sich auch mit diesen Nebenrollen auseinanderzusetzen – etwa um sich die Unterstützung von Befürwortern zu sichern und deren Argumente im Verkaufsgespräch mit einfließen zu lassen oder es muss bei Gegnern mehr Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Weshalb eine Buying Center Analyse wichtig ist
Bei den einzelnen Rollen des Buying Centers handelt es sich um Stereotypen, das heißt hinter einer Rolle steckt nicht immer jeweils eine einzelne Person, sondern eine Rolle kann von mehreren Personen besetzt sein oder eine Person nimmt umgekehrt mehrere Rollen ein. Bei der Rollenverteilung im Buying Center sind viele Konstellationen denkbar, was es nicht unbedingt einfacher macht, das Einkaufsgremium greifbar werden zu lassen. Aber für den Anbieter ist es essenziell zu verstehen, wem beim Kunden welche Rolle zuzuordnen ist, auf welcher Hierarchieebene er handelt und wieviel Gewicht die entsprechende Position für die Kaufentscheidung hat.
Eine goldene Regel im Vertrieb lautet: Der Weg zum Erfolg führt über den Entscheider. Grundsätzlich stimmt das auch, denn der Entscheider ist schließlich dazu da, Entscheidungen zu treffen. Im Buying Center allerdings wird der Prozess bis zur Entscheidungsfindung von mehreren Beteiligten begleitet und beeinflusst – was bedeutet, dass Vertriebler nicht nur einen einzelnen Entscheidungsträger überzeugen müssen, sondern das Einkaufsgremium als Einheit. Weil diese Einheit aber aus Individuen mit unterschiedlichen Zielen besteht, kommt es auf den richtigen Umgang mit den einzelnen Mitgliedern im engeren und weiteren Entscheiderkreis an.
Im Vorfeld von Akquisemaßnahmen oder Vertragsverhandlungen und auch während des Kaufprozesses sollten deshalb von Marketing und Vertrieb unbedingt möglichst viele Informationen über das Unternehmen des Kunden und die Akteure im Einkauf beschafft werden.
Zentrale Fragen zur Analyse des Buying Centers:
» Welchem Unternehmen soll das Angebot gelten?
» Vor welchen Herausforderungen steht das Unternehmen aktuell?
» Wer ist der wahre Entscheider (für das konkrete Angebot)?
» Welche anderen Personen sind Mitglieder im Buying Center?
» Wie groß ist ihr Einfluss auf die Entscheidung?
» Welche Verbindungen haben sie untereinander?
» Worin besteht ihr individueller Handlungsdruck?
Eine genaue Analyse des Buying Centers ist insofern wichtig, als die einzelnen Personen eine rollengerechte Ansprache benötigen. Weil zum Beispiel der Einkäufer andere Motive hat und andere Ziele verfolgt als der User, der Gatekeeper oder ein Influencer, müssen Sie mit ihm auch anders umgehen. Mithilfe von Personas können Sie Profile zu den einzelnen Rollen im Buying Center erstellen. Das erlaubt Ihnen, sich besser in die jeweiligen Personen hineinzuversetzen und diese zielgerichtet mit den richtigen Argumenten zu erreichen. Sie vermeiden dadurch ebenfalls, Kontakt zu den falschen Personen aufzubauen bzw. zu viel Zeit mit weniger bedeutenden Handlungsträgern zu verbringen.
Welche Strategie eignet sich gegenüber einem Buying Center?
Wenn Sie das Buying Center von Ihrer Lösung überzeugen wollen, müssen Sie sich vom Wettbewerb abheben. Ein günstiger Preis und gute Qualität sind dabei schon lange kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Denn in Zeiten vieler vergleichbarer Angebote gelten ein optimales Preis-Leistungsverhältnis und hohe Qualitätsstandards ohnehin als Grundvoraussetzung für eine Kaufentscheidung. Daneben zählen Fachexpertise, ein verantwortungsvoller Umgang mit der Lieferkette sowie ein offener Dialog mit Kunden zu den wichtigsten Kriterien, auf die Entscheidungsträger im Einkauf bei der Auswahl eines Geschäftspartners großen Wert legen.
Eine nachhaltige Kommunikation ist demzufolge einer der Erfolgsfaktoren im B2B Vertrieb. Sie benötigen deshalb zusätzlich Informationen darüber, über welche Kanäle und mit welchen Inhalten Sie die Mitglieder des Buying Centers am besten ansprechen können. Insbesondere im Zuge der Digitalisierung gewinnt eine intensive Zusammenarbeit zwischen Marketing und Vertrieb immer mehr an Bedeutung, da auch im B2B Kontext die Anbieterwahl von Kunden heutzutage meist über Internet-Recherchen beginnt. Nutzen Sie die Möglichkeiten, die Ihnen das Content-Marketing bietet: Zur Leadgenerierung, um Ihre Marke online zu präsentieren sowie personalisierte Inhalte für Ihre Zielpersonen im Buying Center bereitzustellen.
Die Antwort auf das Buying Center: Team Selling
Den Herausforderungen, die Sie im Buying Center erwarten, können Sie am wirkungsvollsten begegnen, indem Sie selbst ein Verkaufsteam aufstellen. Beim Team Selling wählen Sie eine multifunktionale Gruppe von Vertriebsmitarbeitern aus, die den den Rollen im Buying Center entsprechen. Ins Verkaufsteam sind neben den Vertrieblern auch Experten anderer Abteilungen eingebunden, die speziell in fachlichen Fragen Einfluss nehmen. Ziel ist, eine gemeinsame Strategie zur Kundengewinnung auszuarbeiten.
Für die richtige Zusammensetzung Ihres Selling Centers sollten Sie – beispielweise anhand des DISG-Modells – auch einen Blick auf die Persönlichkeiten der im Buying Center vertretenen Mitglieder werfen. Denn dann können Sie außerdem aus Ihren Reihen die zum Kundentyp passenden Verkäufertypen aussuchen. Das ist nicht ganz unwesentlich, da auch Emotionen und soziale Aspekte bei der Zusammenarbeit mit einem Anbieter für Unternehmen eine tragende Rolle spielen.
Fazit
Die Anforderungen an den B2B Vertrieb unterscheiden sich vom Privatkundengeschäft. Es geht oft um hohe Investitionssummen bzw. komplexe Leistungen. Eine Anschaffung kann gravierende Auswirkungen für das ganze Unternehmen haben. Der Kaufprozess ist meist vielschichtig und langwierig, weil auf den Kundenbedarf zugeschnittene Lösungen angeboten werden müssen. Das Buying Center beim Kunden setzt sich aus einem Netzwerk von Personen zusammen, die auf unterschiedliche Art und Weise in den Einkaufsprozess eingebunden sind. Man nennt diesen Personenkreis auch Einkaufsgremium. Für einen erfolgreiche Geschäftsbeziehung ist es erforderlich, Funktionen, Rollenverteilung, Interessen sowie Interaktionen innerhalb dieses Gremiums zu analysieren. Nur dann kann das Selling Team eine passende Strategie entwickeln und die wirklich wichtigen Entscheidungsträger ansprechen.
salesjob-Team
Autor/Editor
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