Verkauf gegen Einkauf: Den Einkäufer verstehen lernen

Veröffentlicht: 24.10.2016 | Update: 20.08.2023 | Lesedauer: 8 Minuten

Im Buying Center beim Kunden da sitzen sie – die Einkäufer, die mit spitzem Bleistift kalkulieren und knallhart über Preise verhandeln. Die Konstellation Verkauf – Einkauf ist oft von Konflikten geprägt, da manche Vertriebler die Rolle des Einkäufers falsch beurteilen. Sie verschätzen sich bei den wahren Kompetenzen der Einkaufsverantwortlichen und können sich so um den Auftrag bringen. Managementberater und Vertriebsexperte Peter Schreiber zeigt in diesem Beitrag, weshalb es wichtig ist, die Rolle des Einkäufers zu verstehen und welche Ansätze es für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit gibt.

Inhalt
Gegner statt Partner?
Einkauf als Beschaffungsmanagement
Folgen einer Fehleinschätzung der Einkäuferrolle
Wertbewusstsein beim Einkäufer schaffen
Verhältnis zwischen Einkauf und Fachabteilung ausloten
Beziehung zum Einkäufer aufbauen
Ziel: Um »letztes Angebot« gebeten werden

Verkäufer gegen Einkäufer

Gegner statt Partner?

Viele Verkäufer von B2B Investitionsgütern betrachten die Einkäufer in den Unternehmen als ihre Gegner. Also versuchen sie, diese auszutricksen und zu umgehen. Das rächt sich meist bitter – gerade in Zeiten schmaler Kassen. Denn in ihnen sitzen die Einkäufer am längeren Hebel.

Der hat von technischen Dingen keine Ahnung!❞
❝Der will und kann mich nicht verstehen!❞
❝Der schaut nur auf den Preis!

Solche Aussagen hört man von Verkäufern oft über Einkäufer. Immer wieder spürt man im Gespräch mit ihnen: Sie sprechen den Einkäufern das nötige fachliche Verständnis ab und sehen in ihnen eher lästige Opponenten als Partner.

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Einkäufer sind Beschaffungsmanager

Verkäufer, die so reden, haben oft den Job der Einkäufer nicht begriffen. Zu ihren Aufgaben zählt es, preiswert einzukaufen. Deshalb können sie zu Verkäufern – auch wenn sie hiervon überzeugt sind – nicht einfach sagen: »Dein Produkt ist das beste!«, weil dies ihre Verhandlungsbasis schwächen würde. Also äußern sie sich selbst dann skeptisch, wenn sie die Vorzüge einer Lösung längst erkannt haben.

Und das ist in der Regel der Fall. Denn den Einkäufer, der nur Kataloge wälzt, Angebote vergleicht und Aufträge verteilt, gibt es heute in den meisten Unternehmen längst nicht mehr. Die dortigen (Fach-)Einkäufer sind Experten, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung technische Prozesse und Zusammenhänge durchaus verstehen.

Sie haben zudem großes Know-how zu betriebs- und gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen. Sie sind im Regelfall nicht nur für die Bestellungen zuständig. Sie müssen vielmehr ein gezieltes Beschaffungsmanagement betreiben. In entsprechend viele bereichs- und oft sogar firmenübergreifende Projekte sind sie involviert. Folglich wissen sie, vor welchen technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen ihr Unternehmen steht.

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Die Folgen einer Fehleinschätzung der Einkäuferrolle

Weil viele Verkäufer die Bedeutung der Einkäufer falsch einschätzen, begehen sie oft folgenden Fehler: Sie konzentrieren sich bei der Akquise nur auf die Fachabteilungen. Mit den Verantwortlichen in diesen Abteilungen entwerfen sie die gewünschte Problemlösung. Begeistert werfen sie sich dabei den Ball »Da könnten wir dies und das tun« zu. Dann steht die Lösung und der Verkäufer fragt: »Kann ich Ihnen dazu das Angebot schicken?«. Dabei verrät der Ton seiner Stimme bereits: Bitte ersparen Sie mir den Kontakt mit den Einkäufern, denn die verstehen nicht, was wir beide besprochen haben.

Der Verkäufer schickt also sein Angebot an seinen Verbündeten in der Fachabteilung. Bei ihm fragt er einige Tage später auch nach, ob das Angebot okay ist. Dessen Antwort lautet meist: »Ja, wenn wir da noch was wegnehmen oder dort noch etwas mit dem Preis runtergehen, kommen wir zusammen«. Der Verkäufer reibt sich innerlich die Hände und denkt: Den Auftrag habe ich in der Tasche.

Doch eine Woche später liegt der Auftrag noch immer nicht auf seinem Tisch. Statt dessen ruft ein Einkäufer an und sagt: »Ich habe eine Bedarfsmeldung der Fachabteilung xy vorliegen …«. Sofort widerspricht der Verkäufer: »Pardon, das ist keine Bedarfsmeldung, sondern eine Bestellung«. Und schon hat er einen Konflikt mit dem Einkäufer, denn der Hinweis, dies sei eine Bestellung, stellt dessen Kompetenz und Daseinsberechtigung in Frage.

Einkäufer betrachten es als ihr (alleiniges) Recht, Bestellungen vorzunehmen. Das geben sie auch mehr oder minder deutlich zu verstehen. Pocht der Verkäufer dann weiterhin darauf, es handele sich um eine Bestellung, fühlt sich der Einkäufer in seiner Funktion nicht ernst genommen. Also versucht er alles, damit der Verkäufer den Auftrag nicht erhält – allein schon, um »sein Revier zu markieren«.

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Wertbewusstsein beim Einkäufer schaffen

Um solche Pannen zu vermeiden, sollten Verkäufer den Einkäufer möglichst früh ins Boot holen, sowohl aus fachlich-rationalen als auch aus persönlich-emotionalen Gründen. Fachlich rational ist das Einbeziehen des Einkäufers wichtig, weil dieser zwar preiswert – aber nicht billig! – einkaufen möchte. Um das Preis-Nutzen-Verhältnis beurteilen zu können, muss er den Wert der Leistung kennen.

Ein Beispiel: Ein Produktionsunternehmen benötigt für seine Fertigungsanlage Dichtungen. Angeboten werden ihm auch Dichtungen, deren Lebensdauer zwanzig Prozent höher ist als die aller anderen. Diese Dichtungen kosten aber drei Mal so viel. Trotzdem bevorzugt der Produktionsleiter die teuren Dichtungen, weil der Dichtungswechsel viel Zeit und der damit verbundene Fertigungsstillstand viel Geld kostet. Diesen Zusammenhang gilt es, dem Einkäufer zu vermitteln, sonst fragt er sich: Warum sollen wir für eine Dichtung, deren Lebensdauer nur 20 Prozent höher ist, den dreifachen Preis bezahlen? Anders ist das, wenn er einmal gesehen hat, wie die Fertigung wegen eines Dichtungswechsels gestoppt werden musste. Dann begreift er die Folgen und kann er den wahren Wert der Dichtungen einschätzen. Also relativiert sich für ihn der höhere Preis.

Dieses Wertbewusstsein muss der Verkäufer beim Einkäufer im persönlichen Kontakt aufbauen. Ein solches Wertbewusstsein vermittelt dem Einkäufer zusätzlich Sicherheit. Denn er muss seine Kaufentscheidungen rechtfertigen. Deshalb präferiert er, wenn ihm mehrere Angebote vorliegen, zunächst das billigste – sofern ihm im persönlichen Kontakt und im schriftlichen Angebot nicht ausreichend Argumente geboten werden, um seine Entscheidung für die teurere Lösung zu begründen. Diese Argumente sind nicht nur rein fachlicher Natur. Auch Faktoren wie die bisherige Erfahrung mit dem Anbieter und Sympathie zum Verkäufer spielen eine Rolle. Deshalb sollten Verkäufer von Anfang an versuchen, eine persönliche Beziehung zum Einkäufer aufzubauen.

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Das Verhältnis zwischen Einkauf und Fachabteilung ausloten

Hierfür muss er zunächst ermitteln: Wie steht es um die interne Beziehung zwischen Einkauf und Fachabteilung? Das können Verkäufer herausfinden, indem sie ihre Kontaktperson in der Fachabteilung zum Beispiel danach fragen, wer im Unternehmen in den Beschaffungsprozess involviert ist. Hierauf kann die Kontaktperson unterschiedliche Antworten geben. Beispielsweise:

  • Das weiß ich nicht.
  • Das machen wir alleine.
  • Ich glaube, der Herr Meyer.
  • Das macht der Karl Meyer, mit dem ich früher in einer Abteilung war.

Wichtig ist, dass der Verkäufer nicht nur darauf achtet, was die Kontaktperson sagt, sondern auch wie sie es sagt. Erfährt der Verkäufer, dass »der Meyer« für den Einkauf zuständig ist, könnte seine nächste Frage lauten: »Kann ich bei Herrn Meyer mal vorbeischauen und mich ihm vorstellen?«. Auf diese Frage sollte stets eine Begründung folgen, damit die Kontaktperson nicht das Gefühl bekommt, der Verkäufer glaube, sie selbst hätte nichts zu sagen. Eine Begründung kann lauten: »Meine Erfahrung bei anderen Kunden zeigt, dass wir, wenn wir die erarbeitete Lösung durchbringen möchten, den Einkauf früh ins Boot holen sollten. Sonst stellt er sich später quer und Sie haben eine Menge Mehrarbeit«.

Auch hierauf kann der Partner unterschiedliche Antworten geben, bei denen ebenfalls gilt: Es zählt, was der Partner sagt und wie er es sagt. Daraus kann der Verkäufer ableiten: Wie ist die Beziehung zum Einkauf? Welches taktische Verhalten ist angesagt?

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Beziehung zum Einkäufer aufbauen

Trifft der Verkäufer den Einkäufer, sollte er ihn keinesfalls mit technischen Daten und Detailinfos überhäufen. So lässt sich keine Beziehung aufbauen. Die vordringliche Verkäuferaufgabe besteht darin, dem Einkäufer zu vermitteln: Ich nehme Sie ernst und weiß, dass Sie eine zentrale Rolle spielen, wenn es darum geht, Beschaffungsprozesse zu optimieren und dafür zu sorgen, dass Ihr Unternehmen marktfähig produziert. Dabei kann ich Sie unterstützen. Um dies zu erreichen, muss der Verkäufer im Vorfeld Gesprächsthemen erarbeiten, die für den Einkäufer von Interesse sind. Solche Themen können sein:

  • Welche Anforderungen stellen Sie grundsätzlich an Lieferanten? Was haben Sie für Wünsche?
  • Fließen andere Kriterien außer attraktive Konditionen in Ihre Kaufentscheidung ein?
  • Was bevorzugen Sie als Informationsmedium?
  • Welches Anwendungssystem nutzen Sie für Bestellvoränge?

Neben solchen Fragen, die darauf abzielen, die Zusammenarbeit effektiv zu gestalten, sollte der Verkäufer dem Einkäufer aber auch Fragen stellen wie:

  • In welche Projekte sind Sie und Ihre Kollegen eingebunden?
  • Welche Kostensenkungsprogramme laufen zurzeit in Ihrer Firma?
  • In welchen Bereichen denken Sie über (z.B. ein Outsourcing) nach?

Solche Fragen ermöglichen es dem Einkäufer, sich zu profilieren und zu dokumentieren, welch wichtigen Beitrag er zum Unternehmenserfolg leistet. Zugleich gewinnt der Verkäufer durch die Antworten Infos darüber, wohin die Reise im Unternehmen geht. Indem der Verkäufer mit dem Einkäufer solche Inhalte erörtert, zeigt er ihm: Ich verstehe Sie! Erweist er sich dann noch im Gespräch und Alltag als kompetenter und zuverlässiger Partner, wächst allmählich eine Beziehung. Dies ist wichtig. Denn in die Kaufentscheidungen des Einkäufers fließt, wenn ihm mehrere ähnliche Angebote vorliegen, stets auch der Sympathiefaktor ein.

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Ziel: Um »letztes Angebot« gebeten werden

Dieses Bevorzugen zeigt sich zum Beispiel darin, dass der Einkäufer, wenn er für mehrere Angebote die technische Freigabe hat, bei einem Verkäufer nochmals anruft und zu ihm sagt: »Ich habe drei Angebote. Denken Sie mal darüber nach, was Sie beim Preis und bei den Liefer- und Zahlungsbedingungen noch tun können«. Dabei handelt es sich oft um ein deutliches Signal: Der Einkäufer möchte mit dem Verkäufer den Abschluss tätigen. Ihm fehlt aber noch etwas »Munition«, um dies intern zu rechtfertigen.

Ziel des Kontaktaufbaus sollte es also sein, dass der Einkäufer, wenn ihm mehrere Angebote vorliegen, den Verkäufer nochmals um ein letztes Wort bittet, bevor er einem Angebot den Zuschlag erteilt. Dieses Ziel ist realistisch. Unrealistisch wäre das Ziel, dass der Einkäufer dem Verkäufer auch dann den Auftrag erteilt, wenn dessen Angebot – egal wie man es betrachtet – nicht das beste Preis-Leistungs-Verhältnis hat. Denn das würde bedeuten: Der Einkäufer nimmt seinen Job nicht wahr.

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Beitragsbild: Adobe Stock | olly

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