Entscheidungsphasen im Verkaufsgespräch
Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Wohnhaus geerbt. Es ist ein kleines Haus mit vier Wohnungen in einer Kleinstadt. Seinen Lebensunterhalt alleine dadurch zu bestreiten, wird schwer. Das Haus muss renoviert werden. 1958 erbaut, ist die damals installierte Ölheizung nicht mehr tragbar. Mit anderen Worten: Sie brauchen eine neue Heizanlage und müssen investieren. Dabei werden Sie verschiede Entscheidungsphasen durchlaufen.
Angenommen Sie nutzen die Gelegenheit, sich auf der Fachmesse „Haus-Bau-Energie“ über mögliche neue Heizanlagen zu informieren und betreten einen professionell aufgemachten Stand. Der freundliche Mensch dahinter spricht Sie an und stellt Ihnen ein paar Fragen zum Objekt. Sie geben ihm Auskunft über die Anzahl der Wohnungen, die Gesamtwohnfläche, Anzahl der Stockwerke, Heizkörper, Baujahr etc. Nachdem Ihnen der Berater sagt, dass er überzeugt ist, Ihnen eine gute neue Heizungsanlage verkaufen zu können, fragen Sie ihn, was Sie das ungefähr kosten wird.
Was glauben Sie, was Ihnen der engagierte Verkäufer des Heizungsunternehmens nun sagen wird? Ich befürchte, es wird etwas sein wie: „Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen. Da müssten wir erst noch weitere Informationen haben.“ Hmmm – was geht Ihnen nun durch den Kopf? Was werden Sie als nächstes tun? Nun, höchstwahrscheinlich werden Sie sich freundlich bedanken und zum nächsten Heizungsanbieter gehen, weil Ihnen der Verkäufer wenig kompetent erscheint, wenn er Ihnen nicht mal den Preis für seine eigene Leistung nennen kann.
Kann ich mir das leisten?
Kommt Ihnen das von Ihren Kunden bekannt vor? Ich spreche davon, dass diese den Preis erfahren möchten, obwohl dies noch nicht abschließend geklärt werden kann, da Problem, Umfang und Lösung noch nicht hinreichend beschrieben wurden? Warum verhalten sich Kunden so irrational?
Die Erklärung ist vergleichsweise einfach: Fragt der Kunde zu Beginn nach dem Preis, will er nicht wissen, was es ganz genau kostet. Sondern im Grunde will er einschätzen können: Kann ich mir das leisten? Beziehungsweise: Passt der Preis zum Nutzen?
Ziehen wir noch einmal das Beispiel mit der Heizung heran: Sagen wir, das Haus hat eine Gesamtwohnfläche von 300 Quadratmetern. Die Mieten liegen bei 7,50 Euro pro Quadratmeter und Monat. Das ergibt Mieteinnahmen von 27.000 Euro im Jahr. Das wissen Sie auswendig. Selbstverständlich wissen Sie auch, dass der Verkaufspreis der Immobilie bei rund einer halben Million Euro anzusiedeln ist und Sie dementsprechend sicher einen Kredit über 50.000 bis 100.000 Euro oder sogar mehr bei der Bank bekommen würden. Diese Daten sind sozusagen Ihre unternehmerischen Entscheidungskriterien.
Kosten – Nutzen?
Welche Möglichkeiten gibt es jetzt? Vergessen wir die Variante „Verkauf der Immobilie“. Denn diese Möglichkeit hätte ja auch jeder andere Unternehmer jederzeit, wenn er ein Problem in seinem Unternehmen sieht. Die anderen Alternativen sind: 1. Eine Lösung zu finden oder 2. noch zu warten. Für die erste Entscheidung ist es notwendig, die entstehenden Kosten dem Nutzen gegenüberzustellen. Sollte der Nutzen nicht eindeutig überwiegen, werden Sie die Entscheidung vermutlich noch aufschieben.
Halten wir also fest, dass es in dieser Phase im Entscheidungsprozess nicht um den genauen Preis geht, sondern um die generelle Abwägung. In dieser Phase ist es also noch unerheblich, ob der Preis 30.000 oder 40.000 Euro betragen würde. Wichtig ist nur, ob das Angebot des Heizungsbauers erschwinglich ist und sich auszahlt.
Die erste Teilentscheidung ist in Ihrem Fall gegeben, selbst wenn Sie nicht in der Lage sein sollten, 40.000 Euro aufzubringen. Jede Bank würde Ihnen gerne einen günstigen Kredit geben, um die Renovierung zu finanzieren. Die Raten für den Kredit könnten Sie selbst bei überhöhten Zinsen leicht von den Mieteinnahmen bezahlen. Sie können es sich leisten.
Im zweiten Teil der Entscheidung geht es darum, ob sich die Investition als rentabel erweist. Das ist schon schwieriger zu beantworten. Lohnt es sich, die Investition jetzt zu tätigen? Geht nicht auch nächstes Jahr? Wenn es nur kostet und nichts einbringt, kann man ja auch erst einmal abwarten. Vielleicht sinken die Preise ja sogar noch. Oder es ergibt sich eine ganz neue Lösung, an die Sie jetzt noch nicht denken.
Wie können wir als Verkäufer und Berater die Entscheidungsphasen des Kunden bei unserer Arbeit besser berücksichtigen? Wie können wir zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Dinge tun, um die Entscheidung für den potentiellen Kunden zu vereinfachen?
Das sind die drei Entscheidungsphasen:
● Entscheidungsphase 1 – Bedarf definieren
Ganz am Anfang ist der Preis relevant – und verliert danach sofort wieder an Bedeutung. Danach wird das Problem wichtig und möglicherweise im Verlauf des Gesprächs sogar noch gesteigert. Erste Lösungsansätze werden nun diskutiert – eine Phase, in der es gilt, den Bedarf des Kunden zu prüfen. Er fragt sich: Muss ich wirklich etwas ändern? Was brauche ich? Was kostet es?
Nun gilt es für den Verkäufer, den Bedarf zu entwickeln. Er kann eine Vision von der Lösung erschaffen. In dieser Phase kommt es entscheidend auf die Person des Verkäufers und seine Überzeugungskraft an.
● Entscheidungsphase 2 – Möglichkeiten untersuchen
Jetzt kommt es auf die Lösung an und das Problem wird durch das Gewicht der angebotenen Lösung(en) verdrängt. Der Kunde will Alternativen prüfen und stellt sich folgende Fragen: Löst das mein Problem? Was davon trifft meinen Bedarf? Wie kann ich es verifizieren?
Der Verkäufer sollte sich nun darauf konzentrieren, einen Beweis für seine Leistungsfähigkeit zu erbringen und zu zeigen, dass die Möglichkeiten der Lösung zu der Vision des Kunden passen. Ein guter Verkäufer unterstützt den Kunden dabei, eine Wertvorstellung von der Lösung zu entwickeln und den Entscheidungsdruck durch freigelegte Schmerzen zu erhöhen. In dieser Phase ist die Lösung und ihr konkreter Nutzen für den Kunden wichtig.
● Entscheidungsphase 3 – Risiko abschätzen
In dieser Phase sind Preis und Risikogefühl für den Kunden sehr dominant und das Problem ist in den Gesprächen wegdiskutiert worden. Nun steht der Kunde kurz davor, eine Entscheidung zu treffen und er fragt sich: Soll ich es tun? Was sind die Konsequenzen? Ist das der beste Preis, den ich bekommen kann?
Deshalb ist es wichtig, dass sich der Verkäufer nun darauf konzentriert, den Auftrag zu holen. Erst jetzt ist es sinnvoll, zu „closen“, denn erst jetzt kann eine Entscheidung herbeigeführt werden. In dieser Phase spielt das Unternehmen des Verkäufers und dessen Reputation eine sehr große Rolle.
Die Entscheidungsphasen am Beispiel der Heizungsanlage
In Phase 1 kann der Verkäufer noch kein fundiertes Angebot machen. Nichtsdestotrotz muss er eine Aussage treffen, die verdeutlicht, dass der Kunde sich dies leisten kann. Idealerweise kann er zusätzlich noch etwas zur Rentabilität sagen im Sinne von:
„Die neue Anlage reduziert die Heizkosten in Ihrem Fall um schätzungsweise 1,30 Euro pro Quadratmeter. Wenn Sie diesen Betrag auf die Miete umlegen, hat sich die Investition nach etwa zehn Jahren von selbst bezahlt gemacht, ohne dass Sie oder Ihre Mieter auch nur einen Euro pro Monat mehr Belastung haben. Ganz abgesehen davon, dass der Wert des Objektes enorm steigt. Wenn Sie zwei Euro pro Quadratmeter umlegen können, dann ist das schon nach sechs Jahren erreicht.“
Mit einer solchen Aussage kann ein Kunde etwas anfangen. Er kann sofort den nächsten gedanklichen Schritt machen, weil er weiß: „Das kann ich mir leisten!“
Woher soll ein Verkäufer solche Aussagen zur Investitionssumme ad hoc treffen können? Nun, wenn man es genau betrachtet, lässt sich sicher in jeder Branche eine solche Kalkulationsformel auf der Basis von für den Kunden relevanten Zahlen herstellen. Bei unserem Beispiel sind es Quadratmeter. In meiner Branche sind es beispielsweise die Ausbildungskosten für Mitarbeiter in Vertrieb und Beratung.
In Phase 2 wird der professionelle Verkäufer vor allem verstehen, was im Einzelnen für den Kunden wichtig ist.
Abschließend geht es in Phase 3 darum, die Entscheidung zu bekommen. Die Aufgabe des Verkäufers ist hier vergleichbar mit der eines Geburtshelfers. Die Kundenentscheidung wird entbunden. Das kann man allerdings nicht beschleunigen, wenn der Kunde noch nicht reif dafür ist. Man darf es aber auch nicht dadurch gefährden, dass man die richtigen Kniffe noch nicht kennt, wenn es zur Sache geht.
Ihr Stephan Heinrich
Bild: Mike Kniec | flickr.com | CC by 2.0 | Ausschnitt