Kundenberater: Können sie verkaufen lernen?
Viele Menschen, die im Vertrieb arbeiten, nehmen das Wort Verkäufer nicht gern in den Mund. Sie sehen und verstehen sich selbst eher als Kundenberater. Sicherlich ist es wichtig, Kunden fachgerecht und umfassend zu beraten. Aber die Beratung allein sorgt noch nicht für Umsatz. Deshalb sollten Kundenberater eben auch verkaufen können. Nur: Können sie das lernen? Moderator, Kommunikations- und Verkaufstrainer Sebastian Bayer zeigt in diesem Gastbeitrag den passenden Ansatz dafür.
Die aktuelle wirtschaftliche Situation erfordert Umdenken und Veränderung im Kundenservice. Die reine Beratung am Telefon, vor Jahren noch das prestigeträchtige Aushängeschild eines serviceorientierten Unternehmens, möchten sich viele Unternehmen heute nicht mehr leisten. Stattdessen sollen Kundenberater nun auch verkaufen.
Einem Kundenberater das Verkaufen beibringen?
Daher tragen viele meiner Trainingsaufträge den internen Arbeitstitel: »Bringen Sie unseren Beratern das Verkaufen bei!«. Dabei geht es vorrangig um die Einstellungsarbeit und gar nicht so sehr um die Vermittlung von Verkaufstechniken. Zu Beginn des Trainings wecke ich daher absichtlich die »schlafenden Hunde« und klopfe die bestehenden Glaubenssätze vieler Kundenberater ab. Das Ergebnis ist immer das Gleiche. Verkäufer sind:
- verlogen
- aufdringlich
- nervig
- lästig
- aufgesetzt und unnatürlich
Spätestens jetzt wird klar, dass die besten Verkaufswerkzeuge nicht angenommen werden, solange eine negative Einstellung zum Verkauf besteht. Demzufolge muss die Veränderungsarbeit auf einer höheren Ebene angesetzt werden. Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter mit Forderungen wie »Ihr müsst mehr verkaufen!« motivieren wollen, erreichen damit das Gegenteil: Sie stärken die ablehnende Haltung und erzeugen Angst, Distanzierung und Lähmung.
Unterschied zwischen Beratern und Verkäufern
Was ist der Unterschied zwischen Beratern und Verkäufern? Kundenberater verfügen oft über stark ausgeprägte reaktive Motivations- und Verhaltensmuster. Der Kunde hat eine Frage – der Berater hat eine Antwort. Der Kunde ist in Not – der Berater bietet eine helfende Lösung. Der Berater ist bemüht, dem Kunden nur die Antwort zu geben, die er ausdrücklich verlangt hat. Dabei werden Eigeninitiative und zusätzliche Vorschläge schnell als aufdringlich empfunden. Der Berater hat dann sein Ziel erreicht, wenn er dem Kunden geholfen hat.
Hingegen suchen Verkäufer zusätzliche Lösungen, entwickeln Optionen, hinterfragen proaktiv Bedarf und Bedürfnisse. Der Verkäufer hat dann sein Ziel erreicht, wenn er binnen einer vorgegebenen Zeit für die Summe X verkauft hat.
Reaktiv oder Proaktiv?
In Assessment Centern erkennen Sie reaktive Muster oft schon an der Sitzhaltung des Bewerbers: Er nimmt die gesamte Sitzfläche ein, hat mit den Füßen wenig Bodenkontakt und lehnt sich gern intensiv nach hinten. In der Wortwahl ist der reaktive Bewerber vor allem sicher in dem, was er nicht will. Er möchte »nur beraten« und den Kunden zu nichts überreden. Der proaktive Bewerber sitzt, beinahe sprungbereit, auf dem vorderen Teil des Stuhls. Er zeichnet sich in seiner Wortwahl durch Wahlmöglichkeiten, Flexibilität und die Bereitschaft, die Initiative zu ergreifen, aus.
Proaktive Mitarbeiter können Sie gut mit dem Ziel motivieren, möglichst viele Abschlüsse zu generieren. Wohingegen es sehr viel sensiblere Formulierungen erfordert, die Verkaufsbereitschaft reaktiver Mitarbeiter zu wecken. Beispielsweise:
- Bieten Sie den Kunden die passende Unterstützung aus unserem Produktportfolio an, um eine optimale Betreuung zu erreichen.
- Schauen Sie, mit welchem unserer Produkte Sie den Kunden zufrieden stellen und die Betreuung abrunden können!
- Nehmen Sie den Kunden an die Hand und geben Sie ihm die Unterstützung, die er in seiner Situation benötigt.
- Mit unseren Produkten haben Sie oft schon die Lösung, die sich Ihr Kunde wünscht. Somit kann der Kunde frei entscheiden, Ihre Unterstützung anzunehmen.
Ein Beispiel aus meiner eigenen beruflichen Vergangenheit leuchtet auch den reaktiven Kundenberatern ein. Jedes Jahr zu Weihnachten freuen sich die Betreiber von Tankstellen über allzu zaghafte Beratung im Einzelhandel: Ich habe mehrfach erlebt, wie im Laufe eines Heiligen Abends ganze Paletten an Batterien an Hilfe suchende Eltern verkauft wurden. Unter vielen Weihnachtsbäumen ereigneten sich regelrechte Tragödien. Denn der Verkäufer des elektrischen Spielzeugs hatte die Eltern nicht darauf hingewiesen, dass die Batterien nicht im Lieferumfang enthalten sind. Hingegen hätte ein Zusatzverkauf die Beratung komplett gemacht. Aber wahrscheinlich wollte der Verkäufer den Kunden nicht zu nahe treten …
Herzliche Grüße
Sebastian Bayer
Beitragsbild: Adobe Stock | Jeanette Dietl