Gudrun Traumann über Wettbewerb oder Rivalität im Vertriebsteam
Im Vertrieb dreht sich vieles um Umsatz und leistungsabhängige Bezahlung. Ist der Vertrieb deswegen eine Ellenbogengesellschaft? Wir wollten wissen: Was macht gesunden Wettbewerb aus und wann beginnt der Konkurrenzkampf? Wieviel Rivalität im Vertriebsteam ist normal oder sogar erwünscht und wann sollte der Vorgesetzte einschreiten? Vertriebscoach Gudrun Traumann hilft uns im Interview, diese und weitere Fragen zu beantworten.
salesjob: Würden Sie sagen, dass Rivalität im Vertriebsteam häufiger auftritt als in Teams anderer Funktionsbereiche?
Gudrun Traumann: Spannendes Thema: Rivalität im Vertriebsteam. Haben Sie sich bewusst für den Begriff Rivalität entschieden? Dieser Begriff ist für mich negativ besetzt. Ich assoziiere damit, jemanden vom Platz zu stellen, auch mit unlauteren Mitteln, in der Wirtschaft oder in der Politik. Persönlich bevorzuge ich den Begriff Wettbewerb in dem Sinne: Einzelne Vertriebsmitarbeiter stehen im Wettkampf miteinander, wer die beste Leistung erbringt. Einen Wettkampf oder Wettbewerb sehe ich immer unter Einhaltung der sportlichen Spielregeln. Ich denke, jeder kennt die Redewendung: „Nimm es sportlich“?
Zurück zu Ihrer Frage. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es Rivalitäten zwischen unterschiedlichen Abteilungen gibt, zum Beispiel zwischen Marketing und PR oder Marketing und Vertrieb. Die offene Rivalität im Vertriebsteam habe ich bis heute noch nicht direkt erlebt. Sehr wohl aber den Wettbewerb zwischen Vertriebsmitarbeitern und Teams um das beste Ergebnis für den Kunden.
salesjob: Warum wird Rivalität bzw. offene Konkurrenz in einigen Unternehmen gefördert?
Gudrun Traumann: Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Unternehmen den offenen Wettkampf einsetzen, um die Leistungen der Mitarbeiter zu maximieren. Das kann für den Vertrieb bedeuten, dass monatlich oder quartalsweise der Mitarbeiter mit den prozentual oder nominal höchsten Steigerungen geehrt wird. Das ist für jeden ehrgeizigen Vertriebler ein Ansporn, im Mittelpunkt des Teams zu stehen.
Kehrseite der Medaille ist: Es kann nur einen geben, der dort oben steht. Was ist mit den Mitarbeitern, die konstant ein stetiges Wachstum erarbeiten, aber keine großen Umsatzsprünge vorweisen? Daher sind Leistungssysteme gefragt, die auch nachhaltige Leistungen berücksichtigen, wie zum Beispiel langfristige Kundenbeziehungen, Gebietsmarktanteile, Strukturverbesserungen in der Kundenzusammensetzung, sprich Parameter, die für den mittel- und langfristigen Unternehmenserfolg wichtig sind.
salesjob: Woran erkennt eine Führungskraft, dass es einen übertriebenen Konkurrenzkampf gibt? Wie äußert sich Rivalität im Vertriebsteam und wann sollte man definitiv einschreiten?
Gudrun Traumann: Kommunikationsverhalten und Selbstdarstellung der Mitarbeiter sind wichtige Kriterien, um solche Übertreibungen zu erkennen. Beginnen Mitarbeiter, Informationen nur noch gezielt weiter zu geben oder sie stellen eigene Interessen in den Vordergrund und damit über das Gruppeninteresse, so sind das erste Anzeichen für eine Führungskraft. Nun gilt es über getroffene und weitere Maßnahmen nachzudenken.
Wann der Punkt zum Einschreiten da ist, muss individuell und situationsabhängig entschieden werden. Im Fußball schreitet der Schiedsrichter nach einem Foul ein. Nur darf es im Vertrieb nicht zu einem Foul an einem Mitarbeiter kommen. Denn hier ist das unfaire Verhalten mit Mobbing oder Intrigen gleich zu setzen, um andere bei der Zielerreichung zu behindern oder die Leistung der Konkurrenten herabzusetzen.
Einschreiten sollte die Führungskraft auf jeden Fall, wenn der Kunde von den Rivalitätskämpfen betroffen ist und bevor Service- und Kundenorientierung leiden. Kein Unternehmen hat daran Interesse, dass Vertriebsmitarbeiter Energie an Nebenkriegsschauplätzen verlieren. Damit solche Szenarien nicht eintreten, gibt die Vertriebsführung ein gemeinsames Ziel vor und sorgt dafür, dass alle an einem Strang ziehen, um es zu erreichen.
salesjob: Was können Unternehmen tun, die keine Rivalität im Vertriebsteam wollen, sich diesem Problem aber dennoch gegenüber sehen?
Gudrun Traumann: Ich gehe davon aus, in diesen Fällen besteht ein Kommunikationsdefizit zwischen Führung und Mitarbeitern. Im schlimmsten Fall stimmen das Unternehmensleitbild und Einstellung der oder des Mitarbeiters nicht überein.
Wichtig sind immer klare und nachvollziehbare Spielregeln, deren Einhaltung durchgesetzt wird. Tritt trotzdem negatives Verhalten auf, können die Gründe dafür sehr vielschichtig sein und sind nur durch Einzelgespräche zu lösen.
salesjob: Gibt es Ihrer Meinung nach Verkäufertypen, die Rivalität geradezu brauchen, um Höchstleistungen zu bringen oder handelt es sich dabei eher um eine Wunschvorstellung ehrgeiziger (und wenig empathischer) Teamleiter?
Gudrun Traumann: Es gibt solche Persönlichkeiten und an der richtigen Stelle eingesetzt, können sie durchaus Mehrwert für ein Unternehmen generieren.
salesjob: Und was bedeutet das für Persönlichkeiten, die mit offenem Konkurrenzdruck nicht umgehen können?
Gudrun Traumann: Menschen, die mit einem offenen Konkurrenzdruck nicht umgehen können, finden Sie selten im direkten Vertrieb. Das ist meine persönliche Meinung.
salesjob: Gibt es Ihrer Meinung nach so etwas wie eine gesunde Rivalität?
Gudrun Traumann: Natürlich, es gibt sie. Ihre Fragen gehen davon aus, dass die Rivalität in den Teams entsteht. Ich meine, Rivalität wird durch Führung oder Unternehmenskultur gefördert. Bevor eine Gruppe performt, muss jedes Gruppenmitglied seinen Platz in der Gruppe finden. Das sind gruppendynamische Prozesse, die in unserer heutigen schnelllebigen Zeit oft durch ständigen Personalwechsel unterbrochen werden. So sehe ich die erste Aufgabe einer Führungskraft, die Gruppe in die Arbeitsphase zu führen, d.h. die Rahmenbedingungen für eine gute Zusammenarbeit zu schaffen.
In den vorherigen Punkten habe ich von Zielen gesprochen, damit meine ich einmal das Umsatzziel der Gruppe, dass sich aus den Teilzielen der einzelnen Mitarbeiter zusammensetzt. Ziele müssen klar kommuniziert werden und sie müssen vor allem SMART sein (spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert). Die Teilziele der Vertriebsmitarbeiter müssen an den Potentialen in der Region oder in der Branche, die der Mitarbeiter betreut, ausgerichtet sein.
Ich habe eben von konstanten Rahmenbedingungen gesprochen. Jede Änderung hat Auswirkungen auf ein Team. Ein typisches Beispiel ist die Neugestaltung der Verkaufsregionen. Dieses kann, wenn nicht professionell vorbereitet, auch die Rivalität im Vertriebsteam fördern. Denn jetzt verlieren diese potentielle Neukunden, zu denen sie gerade Kontakt aufgebaut haben und Kunden, zu denen sie jahrelange Beziehungen gepflegt haben. Solche Entscheidungen müssen richtig vorbereitet, auf das Team zugeschnitten getroffen (in offenen Unternehmenskulturen unter Einbeziehung des Teams) und kommuniziert werden.
Wettbewerb zum Konkurrenzunternehmen (das ist der Rivale) und Wettbewerb um die effizienteste Kundenbetreuung kann nachhaltig Unternehmensergebnisse steigern. Richtig eingesetzt kann gesunder Wettbewerb Verkaufsteams motivieren. „Freude an der Arbeit lässt das Werk trefflich geraten“, sagte schon Aristoteles. Freude an der Aufgabe ist die größte Motivation für Mitarbeiter. Wer mit Freude arbeitet, arbeitet effizienter und nachhaltiger für sein Unternehmen als der „Getriebene“.
Wir danken für das Interview!
28.10.2014
Beitragsbild: Gerd Altmann | pixabay.com | Ausschnitt
Gudrun Traumann sammelte nach ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre langjährige Erfahrung in mittelständischen Unternehmen, Start-ups und internationalen Konzernen. Hier arbeitete sie in den unterschiedlichsten Abteilungen wie Marketing, Public Relations, Unternehmensplanung sowie Vertrieb. Gudrun Traumann arbeitet als Business Trainer, Personal Coach (IHK), Consultant und als Vertriebscoach. Für die Wahl-Hessin ist der Mensch und seine Freude an der Aufgabe die wichtigste Ressource im Vertrieb.
Bildrechte/Quellenangabe: Vertriebscoach Gudrun Traumann